Mittwoch morgen, die erholsame Nacht kuschelt noch mit wohliger Wärme am Rücken, die Augen brauchen noch kein elektrisches Licht – da kommen sie!
Es ist 7:00 Uhr. Eine ganz normale Zeit für den Arbeitsbeginn im Gartenbau. Auch ist es jetzt
im Herbst um 7:00 Uhr noch hell. Ich höre sie mit diesem durchdringenden Brummen. Auf und ab klingt es. Wie zum Anlauf nehmen und dann doch nicht richtig Durchstarten.
Prinzipiell habe ich gut geschlafen und bin gut erholt – und dann schafft es doch so ein Geräusch, mir ins Hirn zu kriechen, wo ich es gar nicht haben will.
Der Umgang mit dem Laub
Es sind die Gartenhelfer mit ihren Herbstwaffen: Laubbläser. Sie sorgen für Ordnung und Sauberkeit zwischen den Häusern, in welchen Massen an Menschen leben. Da kann viel Unglück passieren und so etwas will dann keine Versicherung zahlen: Niemand soll hier ausrutschen oder sich über ungepflegte Rasenflächen beschweren können. Und so kommen die Kolonnen in regelmäßigen Abständen und säubern. Mit Laubbläser und Kratzer sind sie, ja, ich nenne es „bewaffnet“. Hinter der Rasenkante ist die Erde schon abgesunken: Mit dem Laub wird auch immer wieder Erde mit herausgekratzt. Ob das nun schöner aussieht oder nicht – das sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist das Blödsinn!
Ich komme mir bei diesem Anblick immer ein bisschen vor wie in den sterilen 60er Jahren:
Einfahrt, Rosenbeet, schön ausgekratzt, grüner Rasen. Fertig. Es gab eine Zeit in der Menschengeschichte (ca. 1800-1950), das wurde genau das auch mit Wäldern gemacht: Das Laub wurde im Herbst als Einstreu und Futter aus dem Wald in die Ställe gebracht. Später landete das Laub dann mit dem Tiermist auf den Feldern. Das war eine Art, die Tiere im Winter zu versorgen und den Boden auf den Äckern lebendig zu halten und ihn für die nächste Frucht zu düngen. Nur fehlten im Wald eben jene Nährstoffe. Und so verhält es sich auch mit dem Laub in unserem Garten.
Bäume, Sträucher und Büsche werfen im Herbst ihr Laub ab. Sie ziehen die Nährstoffe aus dem Laub, speichern sie und bereiten sich auf den Winter vor. Das Leben für das kommende Frühjahr liegt geschützt in den Knospen. Da macht ihnen sogar Frost nicht aus. Das ist ihre Strategie, gut über den Winter zu kommen.
Wenn Pflanzen kategorisiert werden
Der dänische Botaniker Christen Raunkiær kategorisiert die Pflanzen nach ihren Lebensformen – also in welcher Höhe die Überwinterungsknopsen der Pflanzen liegen im Bezug auf die Bodenoberfläche. So wird nach Therophyten, Kryptophyten, Hemikryptophyten, Chameaphyten, Phanerophyten und Geophyten unterschieden. Das hört sich jetzt ein wenig seltsam an, ist aber an sich eine schöne Einteilung um das
Zusammenspiel in der Natur zu beobachten:
Phanerophyten
Luftpflanzen, denn die Knospen liegen mehr als 30 cm über dem Boden. Wer zählt dazu?
- Bäume und Sträucher
Chamaephyten
Die Knospen liegen direkt auf der Erde unter der Schneedecke, bis ca. 30 cm. Wer zählt dazu?
- Zwergsträucher, Polsterpflanzen
Hemikryptophyten
Knospen liegen halb verborgen (griech.) auf der Erdoberfläche auf. Wer zählt dazu?
- Hostgräser
- Stauden
Kryptophyten
Die Überwinterungsknospen liegen im Boden verborgen (griech.) und sind besonders gut geschützt. Wer zählt dazu?
- Stauden, Zwiebeln
Therophyten
Die meist ein- oder zweijährigen Pflanzen überstehen den Winter in Samenform. (griechisch: Trockenheit, Wärme) Wer zählt dazu?
- Einjährige und zweijährige Kräuter
Wenn wir uns diese Einteilung ansehen, geht es für die Pflanzen in unseren Breitengrade darum, irgendwie den Winter zu überstehen. Schließlich soll im nächsten Frühjahr das Leben ja wieder sprießen. Und zwar in einem lebendigen Boden, der ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist. Nun kommt wieder das Laub ins Spiel. Der Laub-Kreislauf ist ganz einfach: Das Laub fällt von den Bäumen und Sträuchern. Die Knospen überstehen den Winter in luftiger Höhe. Prima. Wo landet das Laub? Richtig: Auf dem Boden. Dort dient es als Schutz vor der Kälte des Winters.
Isolation im Winter
Gerade in Gegenden (oder in Wintern), in welchen kein Schnee fällt, ist diese Isolationsschicht so wichtig. Denn trifft klirrender Frost direkt auf die Erde – so wird das „Kahlfrost“ genannt und kann schwere Schäden an den Pflanzen und auch Wurzeln verursachen. Daher ist es in der Natur durchaus sinnvoll eingerichtet, den Boden mit einer Laubschicht zu bedecken. Mit dieser Laubbläserei zerstören wir nicht nur die Wärmedämmung der Erde – auch der Schlupfwinkel und Überwinterungsort für viele Kleinlebewesen wird radikal entfernt. Hat hier schon mal was von „Insektensterben“ oder so gehört? Wie wollen wir denn Insekten schützen, wenn wir Jahr für Jahr in der kritischen Zeit des Winters massiv in die Population eingreifen und einfach mal ein bisschen Tabularasa machen?
Warum ist Laub wichtig?
Wenn im Sommer eine Wildbiene stirbt ist das schade. Wenn im Winter die Wildbiene stirbt, ist das Mist, denn sie kann dann im Frühjahr keine Eier mehr legen. Diese Biene ist schon tot, ehe sie mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kommen kann. Also müsste es eigentlich für die Garten-Kolonnen heißen: Das Laub wird nicht AUS den Beeten HERAUS – sondern IN die Beete und UNTER die Hecken HINEIN gekratzt. Die Verwitterung über den Winter wird ihren Teil machen, so dass dort im Frühjahr keine Laubberge mehr liegen.
Um die Kolonnen nicht zu sehr zu diffamieren: Es gibt genügend Gärten und Kleingärten, in denen genau das Gleiche passiert.
Das Verrückte bei der ganzen Sache ist:
Im Frühjahr wird dann in den Baumarkt oder Discounter gelaufen – um Dünger zu kaufen. Am besten mineralischen, der wirkt so schnell. Finde den Fehler!
Düngerersatz
Dass dieser Dünger schwer in die Bodenstruktur und in dessen Lebendigkeit eingreift, lassen wir jetzt mal dahin gestellt. Wir machen uns einfach keine Gedanken darüber, ob ein Regenwurm gerne in einer Salzlösung lebt, die – bei zu starker Konzentration – ätzend wirkt… Genug geärgert. Was kann also unternommen werden mit dem Laub? Der naturnahe Garten soll ja dennoch gepflegt aussehen und Freude bereiten. Hier ein paar Ideen: Laub auf dem Rasen mit dem Rasenmäher einsammeln und unter Hecken, Beerenobst, Kompost verteilen. Stauden bitte stehen lassen und sich über die ersten Frostbilder an den abgestorbenen Blütenständen freuen. Gerade an heimischen, ungezüchteten Pflanzen können hier auch Eier verschiedener Insekten angehaftet sein – was sollen die auf dem Kompost oder im Laubsack?
Stauden mit matschig werdenden Blättern, z. Bsp. Funkien: Wenn wirklich zurück geschnitten werden sollen, dürfen die Blätter einfach auf dem Boden um die Staude herum liegen bleiben. Im nächsten Frühjahr wird von diesen Blättern kaum noch etwas zu sehen sein. Was, wenn ich ganz viele Bäume auf dem Grundstück habe? Dann denken wir erst einmal an einen Wald:
Was passiert da? Richtig, das Laub bleibt liegen.
In einem Garten mit vielen Bäumen gehören meiner Meinung nach angepasst große Kompostmieten für Laubkompost integriert. Vielleicht mag dann sogar der Igel einziehen? Das wäre doch was!
Angst vor Laub
Wird der Garten sterben, wenn ich im Herbst das Laub aus dem Garten entferne und die Stauden rigoros zurückschneide? Nein, das wird er nicht. Er wird nur weniger lebendig. Was sich nicht unbedingt auf die Blüten beziehen muss – da kann ja im Frühling wieder gedüngt werden – sondern auf die anderen Lebewesen, die auch gerne hier leben wollen.
Laub von Eiche, Buche eignen sich hervorragend für das Einlauben von Kübelpflanzen. Dieses Laub zerfällt nämlich nicht so schnell bei Regen und bleibt lange eine gute Wärmeisolation. Dazu ein Hasendraht mit min. 15 cm Abstand rundherum um den Kübel rollen und mit Laub füllen.
Laub von definitiv kranken Pflanzen: Bei ansteckenden Pflanzenkrankeiten (Echter Mehltau, Kastanienminiermotte), die auch den Winter überdauern ist es ratsam, dieses Laub, und auch wirklich nur dieses, über die Mülltonne zu entsorgen.
Laub ist etwas sehr Tolles!
- Nährstofflieferant
- Bodenaktivator
- Isolationsschicht
- Insektenhotel
Was will man mehr? Als Naturmenschen verstehen wir, dass es definitiv bessere Umgangsweisen mit Laub gibt, als den Laubbläser! Natürlich bin ich neugierig und frage mich, wie Du das mit dem Laub im Garten siehst?
Wenn Du noch mehr in diese Richtung lesen möchtest, gibt es die beiden Artikel über Mulchen – da gehört Laub unweigerlich dazu.
In diesem Sinne:
Bleibe grün.wild.wunderbar und genieße diesen wundervollen Herbst!