Die Bank

Hier saßen wir das letzte Mal zusammen.

Zwei oder drei Jahre ist es her. Ich hatte etwas zu essen mitgebracht, weil ich dachte, gemeinsames Essen schafft Ruhe und verbindet.

Es waren Ingwershots und Croissants, glaube ich. Ich weiß noch, wie die Sonne auf die Bank fiel und das Wasser leicht geglitzert hat. Die Hunde waren zu Hause, es war einer dieser Tage, die hätten leicht werden können.

Aber er wurde nicht leicht.

Als wir dort saßen, wusste ich: Es ist das letzte Mal, dass wir uns treffen. Ich wollte es nicht wahrhaben. Du wolltest erst nichts essen, nichts trinken: Kein Blick, keine Öffnung, nur dieses müde, höfliche Lächeln.

Ist es nicht auch in Dumans Roman „Der Graf von Monte Christo“ so, dass im Hause der ehemaligen Verräter nicht gegessen wird, damit keine Verbindung aufgebaut werden kann?

Ich habe es gesehen. Dein Nichtlächeln, die festen Schultern.

Ich weiß nicht mehr, worüber wir gesprochen haben, wahrscheinlich über Dinge, die keine Bedeutung hatten, weil das Eigentliche schon zu lange zwischen uns stand und vieles nicht angesprochen werden durfte. Wer gibt eigentlich vor, was angesprochen werden darf und was nicht?

Die Bank

Das Schweigen danach

Es war ein Treffen mit viel Hoffnung und wenig Worten, ein wortloser Abschied. Kein Streit, kein „Es tut mir leid“. Kein Satz, an dem man hätte festmachen können, dass jetzt etwas zu Ende geht. Nur diese stille Schwere, die auf der Bank sitzen bleibt, auch wenn man längst aufgestanden ist. Manchmal kommt sie auch heimlich mit nach Hause.

Ich hätte mir ein ehrliches Gespräch gewünscht, irgendetwas, das den Knoten löst. Aber manchmal ist genau das nicht mehr möglich. Man ist zu weit voneinander entfernt, selbst wenn man nebeneinander sitzt.

Und dann bleibt das Schweigen. Es hängt nach, tagelang, wochenlang, manchmal über Jahre.

Ich glaube, es war das Schweigen, das weh tat.

Nicht der Verlust selbst, sondern dieses „Nicht-reden-dürfen“, das sich so leise in die Haut legt, bis man fast vergisst, dass es da ist und es such schon fast normal anfühlt. Ein absurdes Normal.

Wenn Neues Altes berührt

Was passiert aber, wenn sich das Leben ändert? Was passiert, wenn neue Menschen in Dein Leben treten, zufällig oder bewusst, ganz egal.

Plötzlich ist das alte Gefühl wieder da. Ich ärgere mich darüber. Denn auch, wenn die Erinnerungen in meinem Körper gespeichert sind, heißt es nicht, dass sie wahr sind.

Man denkt, man sei frei, man hat reflektiert, verstanden, abgeschlossen und dann reicht ein Satz, ein Blick, eine Bewegung oder ein Schweigen und so viel ist wieder da.

Dass der Körper sich erinnert, lange nachdem der Kopf vergessen hat, ist kein Zufall. Mehr dazu beschreibt dieser Artikel über das Körpergedächtnis in der Psychotherapie sehr treffend.

Als würde die Vergangenheit kurz die Hand heben und sagen: „Ich bin noch hier.“

Manchmal denke ich, vielleicht ist es genau das, was uns Menschen ausmacht: dass wir nie völlig unberührt sind, auch, wenn es zu dem guten, aristokratischen Ton gehört.

Die Generation des Schweigens

Ich denke immer wieder darüber nach, woher dieses Verstummen kommt.

Vielleicht aus der Generationen vor uns: Sie hatten keine Sprache für das, was weh tat. Und die, die darüber geschrieben, gesprochen haben, wurden während der Kriege aussortiert. Von wegen survival of the fittest!

Die Generationen haben funktioniert, überlebt, sich zusammengerissen. Und wir, die Kinder dieser Zeiten, tragen das weiter, diese selbstverständliche Überzeugung, dass man Dinge aushalten muss, anstatt sie auszusprechen.

Wir reden über Nachhaltigkeit, über Ernährung, über Geld, über Arbeit, über Ziele. Aber kaum jemand redet über Schmerz, über Scham, über Verletzung, über Tod.

Ich merke, wie tief dieses Schweigen in mir sitzt und auch, wie sehr es nich nervt.

Wie viel Kraft es kostet, überhaupt Worte zu finden, wenn man nicht belehren, nicht erklären, nicht aufräumen will.

Doch die Ansage ist ganz einfach: „Ja, es tut noch weh. Nein, es ist nicht mehr meine Normalität.“

Und ja, manchmal ist nicht alles grün.wild.wunderbar sondern beschi**en. unklar.verstörend!

Was ist normal?

Das Nichtwissen aushalten

Heute sitze ich wieder hier.

Auf einer anderen Bank in der Sonne. Das Wasser glitzert wie damals, nur anders. Ich trinke Buttermilch und fühle Dich nicht mehr. In mir ist es ruhiger, nicht fertig, aber ruhiger.

Das Gefühl an die Stille ist noch da, manchmal.

Ich weiß nicht, ob man das Erwachsensein nennt oder einfach Leben.

Vielleicht ist Erwachsensein ja gar nicht das große Wissen oder abhängig von den vielen Tagen, die wir schon auf dieser Welt sind. Vielleicht ist Erwachsensein das wohlwollende Raum halten für Nichtwissen.

Das liebevolle Anerkennen, dass Dinge nicht aufgeräumt werden müssen (oder auch manchmal können), um vorbei zu sein.

Neues Leben

Vorfreude auf die Sperrnächte

Auch wenn wir erst Mitte Oktober haben, merke ich, wie mein Blick schon nach innen und kn die Ruhe wandert.

Bald beginnen die Sperrnächte, das sind die Wochen vor Weihnachten, in denen ich mich Monat für Monat von dem verabschiede, was war. Es ist kein großes Ritual, eher ein leises Aufräumen im Inneren. Ich gehe die Monate noch einmal durch, lasse sie an mir vorbeiziehen, um sie zu würdigen.

Dieses bewusste Rückschauen tut mir gut. Es bringt irgendwie Ordnung und damit auch Platz und Raum für Neues.

Und dann freue ich mich auf die Rauhnächte, wenn die Stille des Winters da ist, das scheinbar Tote, die Dunkelheit, die Anti-Hektik. Nützt ja nichts, es ist draußen eh viel dunkel.

Ich habe darüber ein Buch geschrieben: Rauhnächte im Garten und auch in diesem Jahr wird es wieder eine kleine Begleitung geben, für alle, die diese Zeit bewusst gestalten möchten.

Vielleicht kennst Du solche Momente.

Wenn Dich solche Gedanken begleiten oder berühren, dann bleib gern hier. Wir können diesen Weg durch die Jahreszeiten gemeinsam gehen.

Danke für dieses Gespräch.

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