Eigentlich wollte ich lernen. Drei Fächer in eine Klausur. Mein Kopf schon voll und durch die Nebenwirkungen des Antibiotikums nicht wirklich aufnahmefähig. Als Vorbereitung sollten wir uns dieses Video ansehen: „Die Zukunft des Waldes“.

Schon beim Zusehen starteten meine Gedanken: Analogien über Analogien zwischen Wald und Gärten und uns Menschen irgendwo dazwischen.
Doch alles von vorne:
Wenn wir über die Zukunft des Waldes sprechen, dann geht es auch um Bäume. Aber es geht um noch viel mehr: Es geht um unsere Lebensgrundlagen, um Klima, Wasser, Kühlung, Bodenleben – und um unsere Gärten. In Zeiten von 70 Grad Asphalttemperatur und vertrockneten Landschaften können wir es uns nicht länger leisten, Garten als Deko zu begreifen. Was wir in der Forstwirtschaft längst wissen, ignorieren wir im Hausgarten oft noch: Die Natur folgt keinem Katalog. Und schon gar keinem Trend.
Hier kommen meine Gedanken zu einer Dokumentation, die ich jedem ans Herz lege.
- Der Wald – ein Lebenssystem
- Garten als Mini-Ökosystem
- standortgerechtes Gärtnern
- Waldbrandrisiko
- vom Wald lernen
Der Wald – kein Hintergrundrauschen, sondern Lebenssystem
Der Wald ist kein Deko-Element für Joggingtouren und Bushcrafting. Er ist ein komplexes System aus Wasserhaushalt, Luftreinigung, Temperaturregulation, CO₂-Speicherung, Lebensraum für Organismen, Rohstofflieferant – und emotionaler Heimat. Jaja, der Deutsche und sein Wald, die Deutsche Eiche. Jeder hat eine Meinung und es wird viel Schuld verteilt. Das hilft nur nichts.
Wer Schuld verteilt, gibt Macht zum Handeln ab.
Wenn wir heute durch Monokulturwälder – in der Fortwirtschaft heißen sie Reinbestände – laufen, dann nicht, weil irgendjemand Böses wollte, sondern weil Geschichte, Notzeiten und andere Bewirtschaftungsschwerpunkte ihre Spuren hinterlassen haben. Die Prioritäten haben sich verschoben. Und genau dieses Wissen brauchen wir auch im Garten.
Garten als Mini-Ökosystem – oder Konsumprojekt?
Während in der Forstwissenschaft mit Sensoren, Standortdaten und klimatoleranten Gehölzempfehlungen gearbeitet wird, damit der Wald lebensfähig bleibt und damit auch unser Leben, setzen wir im Garten auf… Kataloge, Hübschheit. Auf Rasenmäherroboter, Pflanzpläne von Influencern, auf Hochglanzideen, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Aber: Ein schattiger Garten braucht einen anderen Umgang als ein trockener. Ein lehmiger Boden andere Pflege als ein Sandstandort. Und wer im Juli die Rasensprenger mit Trinkwasser laufen lässt, hat das System noch nicht verstanden und gräbt dem Wald und auch hier wieder: unserem lebenswertem Leben – das Grundwasser ab. Das ist ein Problem, dazu kommen wir später.
Was mich dabei so stutzig und auch ein bisschen wütend macht: Im Wald steckt Forschung. Beobachtung. Diskussion. Jahreslanges Experimentieren, Ausprobieren mit Bäumen.
Im Garten – steckt oft nur Konsum. Als würde ein Garten funktionieren wie ein Möbelstück: Zusammenbauen, anschauen, fertig. Holy, no! Wir lassen unser gesamtes Wissen und Beobachtungsgabe einfach aus dem Kopf fallen und säuseln: „Oh, hübsch!“
Lies hier gerne weiter über meine Wort- und Sinnschöpfung Gartengestaltung ohne Gartenwashing.
Vielleicht sollten wir an diesem Punkt allein das Wort Gartenbau neu überdenken. Garten-Bau? Oder lieber Garten-Kunde? Ich finde letzteres besitzt wesentlich mehr Potenzial!e
Ein Garten ist nunmal ein lebendiges System. Er ist ein Ort, der uns herausfordert, ehrlich zu werden: Ich weiß, das hört sich kitschig an, ist aber nichts andres. Es geht um die Fragen:
- Was wächst hier?
- Was braucht dieser Boden?
- Und was bin ich bereit zuzulassen?
Das und nicht mehr – und damit wird es ganz schnell ganz einfach.
Ein Garten ist ein Mini-Ökosysten – genau so, wie ein Wald ein Garten ist, nur in groß.
Standortgerechtes Gärtnern – kein Verzicht, sondern Freiheit
Es klingt unsexy und fordert heraus: Der Garten braucht Beobachtung. Nicht Pinterest oder Instagram. Es gibt nicht den Garten. So wenig wie es den Wald gibt.
Und trotzdem tun wir oft so, als ließe sich Garten wie ein Lifestyle-Baukasten zusammenstellen: „Ich will ein bisschen Provence, ein bisschen England, etwas mediterran – am besten alles gleichzeitig und sofort.“
Die Natur hat ihre eigenen Regeln und so viele sind bereits bekannt. Wenn wir sie anerkennen, können wir mit deutlich weniger Aufwand und Kosten einen Garten gestalten, der lebendig, insektenfreundlich und pflegeleicht ist und uns allen gut tut!
Dass unser Konsum-Ansatz nicht funktioniert, merken wir meist erst, wenn die Pflanzen eingehen, wir keine Ahnung vom Boden haben und die Pflege plötzlich zum Kraftakt wird.
Dabei liegt die wahre Freiheit im Gärtnern genau nicht im Gestalten gegen den Standort – sondern im Mitgehen mit dem, was da ist.
- Ein schattiger Garten? Wunderbar!
- Ein feuchter Garten? Ein Geschenk!
- Ein sandiger Südgarten? Fantastisch – wenn wir die Pflanzen lassen, die damit klarkommen.
Und genau hier kommt das rein, was mich so beschäftigt: In der Forstwirtschaft wird pro Standort empfohlen, was wachsen kann. Nicht, was hübsch oder ästhetisch aussieht. Wobei: Ein lebendiger, vielfältiger Wald ist einfach ästhetisch und so multifunktional, das kannst Du Dir kaum vorstellen.
Wissenschaftliche Grundlagen sind immer sinnvoll
Im Wald gibt Empfehlungen für Waldumbau, Baummischungstabellen, naturgemäße Waldwirtschaft – weil man weiß: Bäume stehen lang. Da kann man nicht einfach alle drei Jahre „neu bepflanzen“, weil sich ein Trend ändert. Das haben die Generationen vor uns gemacht, um Kriege und Not abzupuffern. Das machen wir jetzt um Temperaturschwankungen und Extremwetterereignisse aufzufangen.
Im Garten aber? Da werfen wir dieses Wissen über Bord. Da gilt: „Was hübsch ist, wird gekauft. Was nicht wächst, kommt nächstes Jahr eben neu.“
Und das Tragische daran: Wir verlieren dabei nicht nur Pflanzen – wir verlieren auch die Verbindung zu dem, was möglich ist. Die Verbindung zur Heimat des Bodens, zum Mikroklima vor der eigenen Tür, zur echten Gärtner*innenkompetenz. (Vielleicht sollte ich später mal ein Gärtnerkompetenzzentrum aufmachen.)
Standortgerecht zu gärtnern heißt nicht, sich einzuschränken. Es heißt: sortieren und aufatmen, weil man endlich nicht mehr kämpfen muss.
Weil der Garten sich plötzlich mit einem entwickelt – und nicht gegen einen. Mulchen statt Gießen. Wachsen lassen statt Ausreißen. Standortgerechtes Pflanzen statt Exotik fürs Ego. Das ist kein Verzicht, das ist gelebte Freiheit – und aktiver Klimaschutz im Kleinen.
Waldbrandrisiko, Mikroklima & der Irrsinn von Zierkies
70 Grad Oberflächentemperatur in der Stadt, ausbleibender Regen, abgeföhnte Rote-Bete-Blätter. Während draußen der Wald brennt – in Brandenburg sind bereits im Juli so viele Waldbrände verzeichnet worden wie insgesamt im vergangenen Jahr – wird im Gartenbereich Hitze ignoriert.
Wenn draußen die Wälder brennen wie Zunder – mit ätherischen Ölen vollgepumpten Monokulturen, die sich bei jedem Funken entzünden – dann ist das kein Naturphänomen. Biber Berti erklärt das schon den Kindern. Diese Brände sind hausgemacht aus der Geschichte stammend.
Und jetzt schau Dir Deinen Garten an:
- Wie viel Fläche ist da eigentlich wirklich lebendig?
- Wie viel davon ist mit Kies abgedeckt, weil das angeblich pflegeleicht ist?
- Wie viele Beete sind offen, ungeschützt, verdichtet, überhitzt?
In Frankfurt – das zeigt die Doku, die mich so beschäftigt – misst der Asphalt im Sommer 46 bis 70 Grad. 70°C, bei dieser Temperatur lasse ich meinen Tee noch abkühlen, das ist mir zu heiß!
Und es ist kein Zufall, dass sich das auf unsere Gärten überträgt. Denn: Wer seine Beete nackt lässt, mit Kunsststoff Geotextil arbeitet Flächen mit Zierkies zuschüttet, macht dasselbe wie Städteplaner ohne Schattenstrategie: Er produziert Hitzeinseln. Er vertreibt das Bodenleben. Er zerstört das Mikroklima.
Dabei weiß jede:r Förster:in, wie sehr lebendiger Boden und Schattenspender zur Abkühlung beitragen. Warum also ignorieren wir dieses Wissen, wenn es um unsere eigenen Gärten geht? Ich check es nicht!
Und weißt Du, was mich daran besonders ärgert?
pflegeleicht als Deckmantel
Dass das alles unter dem Deckmantel der Pflegeleichtigkeit verkauft wird. Ich nenne es Gartenwashing. Als wäre Hitze im Boden ein Vorteil. Als wären Mikroorganismen verzichtbar. Als könnte man Natur effizient machen, wenn man sie nur gut genug pauschalisiert.
In der Forstwirtschaft sehen wir, wie sensibel Ökosysteme auf jede Veränderung reagieren: Wind, Trockenheit, Bodenverdichtung, Starkregenereignisse, muss ich noch mehr aufzählen?
Und trotzdem schaffen wir es im Garten nicht, uns davon etwas abzuschauen. Weil Kiesbeete hübscher aussehen als ein Mulchpfad? Weil Ordnung wichtiger ist als Leben?
Dabei wäre es so einfach:
Lass das Bodenleben leben. Lass Schatten zu. Mulche, was geht. Und höre auf, den Garten als Dekorationsfläche zu sehen – während draußen die Wälder brennen.
Vom Wald lernen heißt hinschauen – auch dem eigenen Garten
Der Wald ist langsam. Bäume können nicht weglaufen. Und genau deshalb sind sie ein hervorragender Spiegel und auch Forschungsobjekt.
Der phänologische Kalender – also die Orientierung an den Wachstumsphasen bestimmter Gehölze – zeigt uns, wie sich Jahreszeiten verschieben. Dabei geht es nicht um die vier bekannten Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es geht um 10 Jahreszeiten.
Der Garten kann das auch. Wenn wir hinschauen. Wenn wir aufhören, gegen ihn zu arbeiten. Und wenn wir akzeptieren, dass ein „perfekter Garten“ nicht perfekt aussieht – aber vielleicht genau das Gefühl gibt, das wir eigentlich suchen: Ruhe. Lebendigkeit. Tiefe. Und nebenbei machen wir noch etwas für das Mikroklima.
Und ja, ein Garten, der „funktioniert“, kann wunderschön sein! Dass kologisch sinnvolle Gärten grüne Anarchie bedeuten, ist wirklich veraltet!
Zudem kann er uns etwas ganz besonders schenken: Ruhe. Lebendigkeit. Tiefe.
Und während wir ihn beobachten, begleiten, verstehen – wird er ganz nebenbei auch zu einem Beitrag für’s Mikroklima: Kühlt, dämpft, speichert, schenkt Leben(sraum).
Genau wie der Wald. Das ist doch was, oder?
Fazit: Will Dein Garten Dir etwas sagen?
Ob wir in einer grünen Bubble leben oder einfach wach geworden sind – Fakt ist: Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Der Wald denkt nicht in Designs. Und die Natur sollte in erster Linie kein Ort für Selbstinszenierung sein. Sie ist unser Zuhause.
Du hast einen Garten? Dann lass ihn nicht Katalog werden – sondern ein Stück Erde, das wirklich zu Dir passt und Leben schenkt.
Wenn Du Dir dabei Begleitung wünschst: Komm in den Garten-Jahreskreis.
Dort gehen wir gemeinsam – Monat für Monat, durch alle zehn Jahreszeiten – in einer festen Gruppe. Nicht mit Pflanzplänen von der Stange, sondern mit Verständnis für Standort, Kreislauf und Dich selbst.
grün.wild.wunderbar eben.
Ich freue mich auf Dich.
Deine Gunhild