Urbanutopia-Symposium

Urbanes Grün neu gedacht: Inspiration und Netzwerken auf dem Urbanutopia-Symposium

Wie kann Begrünung in urbanen Räumen unser Leben bereichern? Auf dem Urbanutopia-Symposium trafen sich Visionär:innen aus den Bereichen Architektur, Umweltbildung, Gastronomie, Kunst und Stadtplanung, um genau diese Frage zu beantworten – und dabei neue Wege für eine nachhaltige, grüne Zukunft zu denken. Crazy, was für eine grüne Bubble voller Expertise!


SMS von Paul Baumann
Wer ist Paul?

Mit einem Anruf von einer unbekannten Nummer fing alles an. Ich war gerade in einer Vorlesung – irgendetwas zwischen Gehöltsmorphologie und Ökonomie der Forstwirtschaft. Die SMS ließ mich noch nicht viel schlauer werden: „Hii Gunhild, hier ist Paul. Hatte dir kurz auf die Mailbox gesprochen. Ruf mich gerne einmal zurück, würde dir gerne von unserem Pflanzenprojekt erzählen. Freue mich 🙂 Paul.“

Einige Tage später trafen wir uns im Impact Hub in Berlin, eine Art von Berlin, die ich schon lange nicht mehr kenne. Im tiefsten Neukölln.

Wer ist Paul?

Paul Baumann ist ein Mensch mit einer Vision: Pflanzenmenschen an einen Tisch bringen – und die Verbindung zwischen Stadt und Land neu denken. Selber gelernter Landschaftsgärtner aus dem Süden des Landes, der sich seit Sommer 2024 auf einen neuen Weg macht. Schlanker, groß gewachsener Mann, seine Haltung leicht in sich gefallen – und dennoch ein Strahlen. Hört zu. Denkt nach. Ich glaube, er hat sehr viele Gedanken im Kopf, die bitte gleich an die richtige Stellen platziert werden sollen. Die Zeit nimmt er sich auch. Er lächelt.

Ob ich dabei sein möchte? Bei? Einem Symposium – dem Urbanutopia-Symposium – nächste Woche und einem Kongress im Sommer. So lange es nichts mit verdecktem Vertrieb für irgendeine Firma zu tun hat sondern wirklich im Sinne der Pflanzen steht, bin ich dabei. Gut, ist kurzfristig, kriegen wir aber hin.

Die Einladung

Geladen wurde ins Michelberger Hotel, einem Ort, der mich an meine Zeit in Berlin-Wedding erinnert: Die Vision als Erdenbürger zusammenzuleben. Bei uns war das in der Kapelle der Versöhnung mit Lehm und Holz, Monatsessen unter dem Motto regional, saisonal, biologisch, Getreide anbauen auf dem Mauerweg und Menschen nähren, Konfirmandenfreizeiten auf einen Demeterhof. Wie ist gesundes Leben in der Großstadt möglich? Die Geschichte macht irgendwie immer Kreise… Lies Dich selbst durch das Michelsberger, dann verstehst Du, was ich meine.

Das Mitbringsel

Gunhild Rudolph auf dem Weg im Urbanutopia-Symposium
Primeln in Berlin


Es ist ein Donnerstagnachmittag, die Nachmittagstermine sind verlegt. Der Weg führt mich zur Warschauer Straße – ein Hotspot des Berliner Lebens. Menschen, Architektur, Wasser, Straßenbahnen und blinkende Bauten vereinen sich zu einem pulsierenden Mix. Man könnte auch Chaos sagen mit einer Brücke (für die Fußgänger) neben einer Brücke (für die Autos und die Straßenbahnen) bei einer Brücke (historisch über die Spree). Auch früher war das nicht mein Zuhause. Mein Platz ist nicht hier, sondern irgendwo zwischen Natur und Weite. Großstadtkind? Ja. Aber bitte nur noch in Maßen.

Paul hatte uns gebeten, etwas mitzubringen: Eine Pflanze, die wir mögen, die für uns eine Bedeutung hat. Ich bringe eine Primel mit. Eine ganz gewöhnliche Primel, die es ab jetzt wieder als Schwemme überall zu kaufen gibt. Meine sind gelb, orangefarben und pastell. Sie erinnert mich an meine Zeit im Gewächshaus während meiner Ausbildung: Im Frühjahr kultivierten wir Primeln – farbenfrohe Züchtungen, für den Verkauf oder zum Pflanzen auf dem Friedhof. Im Grunde sind Primeln steril, irgendwie zu bunt, zu künstlich. Und doch taucht man beim Betreten eines Gewächshauses mit Primeln in einen befreienden, frühlingshaften Duft. Deswegen habe ich die Primel dabei. Deswegen wurde sie bei mir auch die wilde botanical #5!

Der Ort

Ich komme spät an und fühle mich zunächst nicht wirklich in der Stimmung für Networking. Die Grüne Woche steckt mir noch in den Knochen. Doch schon der erste Moment – ein warmes Willkommen mit Feuer im Innenhof – lässt die Schwere abfallen. Der Regen und die skurrile Stimmung von verregnetem Frühling in der grauen Hauptstadt draußen – die Wärme und der duftende Tee drinnen: Es ist eine Atmosphäre, die verbindet. Es geht Treppen runter, um Ecken, durch Gänge, Treppen hoch. Am Klavier wird Jazz gespielt und ich lächle über mich selbst: Die Kleiderbügel hängen verkehrt herum. Und überall Menschen, die der Einladung gefolgt sind. Willkommen zum Urbanutopia Symposium im Michelberger.

Der Plan

Paul Baumann eröffnet das Urbanutopia-Symposium
Paul Baumann bedankt sich und eröffnet das Symposium

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was mich erwartet und was ich erwarten soll. Erstaunlicher Weise wissen das die wenigsten. Sie sind einfach da. Weil sie Visionäre sind? Weil sie sich gebauchpinselt fühlen? Weil wir im Februar sonst nichts besseres zu tun haben? Weil sie neugierig sind? Weil sie Lust haben die Welt zu vergrünen?

Auf jeden Fall sind gut 50 Menschen gekommen. Die verschiedensten Lebensbereiche, die mit Pflanzen in Berührung kommen, sind hier vereint.

Paul ist präsent, begrüßt alle, drückt seine Dankbarkeit aus, ist aufgeregt. Seine Teamkolleginnen stehen wie Mäuschen an der gegenüberliegenden Tür.

Und er erklärt uns seinen Plan, seine Idee: Sein Ziel, eine Plattform aufzubauen, die Menschen mit einer tiefen Verbindung zu Pflanzen zusammenbringt – sowohl auf professioneller als auch auf persönlicher Ebene. Ziel ist es, auf natürliche Weise ein transdisziplinäres Netzwerk zu schaffen, in dem visionäre Ideen aus verschiedenen Bereichen aufeinandertreffen: Architektur, Stadtplanung, Innovation, Umweltbildung, Gastronomie, Kunst, Events und Gärtnereibetriebe.

Der Kongress

Dieses Netzwerk wird schließlich in einer großen Konferenz am 11. Juli am Holzmarkt münden, bei der Begrünungskonzepte der Zukunft im urbanen Raum im Mittelpunkt stehen werden. Die Themen für die Konferenz werden heute in kleineren Netzwerktreffen entwickelt. Das Symposium dient also als erster wichtiger Schritt, um die verschiedenen Disziplinen und Ansätze zusammenzubringen und den Grundstein für eine gemeinsame Vision URBANUTOPIA zu legen. Dann lass uns Gruppen bilden!

Meine Gruppe


Unsere Gruppe traf sich im Whiskey Room – ein Ort mit einem ganz besonderen Charme. Die Atmosphäre dort war warm und einladend, genau richtig für unsere intensiven Gespräche. Ich persönlich hätte auch gleich dort bleiben können. Auf dem grünen Samtsofa habe ich mich unglaublich wohl gefühlt, fast so, als würde der Raum unsere Diskussionen über den Boden, Pflanzen und die Zukunft unserer Städte tragen.

Im Grunde begann unsere Diskussion bereits mit der Vorstellungsrunde. Wie es bei solchen Runden oft der Fall ist, wurde die Vorstellung von Mensch zu Mensch immer ausführlicher, und schon hier zeigte sich, wie vielfältig und spannend die Perspektiven waren, die jeder mitbrachte. So spannend!

Die Diskussion

Lea Nassim Tajbakhsh (Acker, Berliner Tafel) sprach als Erste und machte keinen Hehl daraus, wie sehr sie sich danach sehnt, wieder mehr mit Pflanzen zu arbeiten. Es war, als ob sie mit ihren Worten eine Grundlage legte, auf der alle anderen aufbauen konnten. Jörg Michel (POLA) griff das auf, als er über emotionale Landschaftsplanung sprach. Gute Planung berührt Menschen! Das bestätigt meine Idee: Menschen und Pflanzen sind über Emotionen miteinander verbunden.

Dann war da Fabian Kramer (Kramer Restaurant), der mit leuchtenden Augen von den Pflanzen in seinem Restaurant und den Corona-Herausforderungen erzählte. Bei ihm wachsen Pflanzen als Beleuchtungselement im Gastrobereich. Ich glaube, ich möchte mal bei ihm Essen gehen! Sylvia Koch führte uns in ihren Traumgarten in der Uckermark – ein Ort, der sie an ihre Kindheit erinnert. Carolin Engwert (Hauptstadtgarten) brachte die städtische Perspektive ein: Wie wichtig Kleingärten in Berlin sind, nicht nur für die Natur, sondern für die Menschen und ihre Gemeinschaft.

Martina Kolarek (Die Boden schafft), mit ihrer ruhigen und überzeugenden Art, lenkte die Aufmerksamkeit zurück auf das Fundament von allem – den Boden. Alles beginnt dort, und doch wird ihm oft viel zu wenig Beachtung geschenkt. Mein Reden! Charlotte Droth (FYTA) erzählte von ihrer Reise mit FYTA: von anfänglicher Skepsis zu der Überzeugung, dass smarte Pflanzenpflege tatsächlich einen Unterschied machen kann. Johannes Moyer (P2 Objektgrün) vertiefte das Thema, als er einwand, Pflanzen aus einer völlig anderen Perspektive zu betrachten: Wie behandeln wir sie, und was bedeutet eigentlich „artgerecht“ in diesem Kontext?

Gökcan Guney (CannaBau) lenkte das Gespräch dann auf Industriehanf, einen Baustoff, der sowohl innovativ als auch nachhaltig ist. Ich war beeindruckend zu hören, wie viel Potenzial in einer Pflanze steckt, die viele gar nicht auf dem Schirm haben. Holz, Kokos, Miscanthus ist das bekannter.

Zum Abschluss sprach Anwar Siddique, Apotheker, über die Heilkräfte von Pflanzen und wie schade es ist, dass sie in Apotheken eine eher untergeordente Rolle spielen. Und schließlich öffnete Daniel-Jan Girl (EXPO 35) wieder den Raum mit seiner Vision von Städten wie Berlin, die zu lebendigen Ausstellungsorten werden könnten: eben Expo 2035 – eine Stadt als Expo.

Und dann war die Zeit auch schon vorbei. Ich wünsche mir das nächste Mal so etwas wie ein Speedating und Pflanzennerds: Ich möchte die Menschen hinter ihren Ideen kennen lernen.

mögliche Kongress-Themen

Als Themen für einen Kongress könnten sein:

  • Klimawandel in der Stadt – Wie wird/bleibt eine Stadt lebenswert für Menschen und Pflanzen
  • Stadtbäume als grüne Lunge der Stadt
  • Pflanzen & AI
  • Pflanzen in der Gastro- und Gesundheitsszene
  • Werte & Wertschätzung: Wie gehen wir mit Pflanzen um?

Das Essen

Der Abend wurde begleitet von einem Essen, das weit mehr war als nur Verpflegung – es wurde ein Gedicht gereicht! Und irgendwie war es auch ein Spiegel des Symposiums selbst: die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Kreativität. Für mich persönlich war der Sellerie das absolute Highlight in seinen unterschiedlichen Texturen und Zubereitungsarten. Ich glaube, er wird oft als Suppengrün verkannt. Armer Sellerie. Da kannst Du mal schauen, was möglich ist, wenn man sich intensiv mit dem Boden und seinen Schätzen auseinandersetzt. Diese Einfachheit und Tiefe in einem Gericht hat mich wirklich berührt.

Dank der Michelbergers und ihrem Koch wurde der Abend zu etwas Besonderem. Nicht umsonst sind sie ein Vorbild dafür, wie man Stadt und Land als ein verbundenes Ganzes begreift. Sie sind eben „Berlin-Brandenburger“ und denken nicht in Schubladen.

Brücken zu bauen, spiegelt sich nicht nur in ihrer Arbeit, sondern auch in ihrem Essen wider. Dafür bin ich dankbar – es war ein Fest für alle Sinne.

Die Pflanzen

Urbanutopia Symposium: Teilnehmer an Tischen, davor ein Tisch mit vielen Pflanzen
Grüne Kraft

Auf einem zentralen Gabentisch wurden die mitgebrachten Pflanzen arrangiert: Zimmerpflanzen, Stecklinge, Ableger und Topfpflanzen, Stauden. Jeder Teilnehmer hatte ja eine Lieblingspflanze mitgebrachtZum Abschluss des Abends war jeder eingeladen, eine andere Pflanze mitzunehmen. Es entstanden spontane Brücken – zwischen den Menschen, die die Pflanzen mitgebracht hatten, und denen, die sie mit nach Hause nahmen.

Ich selbst habe einen Hibiskus schizopetalus – Steckling aus der HU Berlin mitgenommen (Dort, wo ich schon Natrium-Nitrat-Untersuchungen an Tomaten gemacht habe, hihi). Obwohl ich eigentlich nicht der typische Kübelmensch bin, konnte ich doch nicht am Besonderen vorbeigehen. Ich finde es schön, durch so eine kleine Geste eine Verbindung zu einem Event und den Menschen darin zu spüren. Gleich vor dem Tisch entstanden schnell kleine Gespräche, begleitet von Lachen, Kennenlernen und Austausch – ein wunderbarer Moment der Gemeinschaft. Danke für diese Überraschung.

Die Teilnehmer:innen

Was mir nicht bewusst ist: Hier sitzt viel grüne Expertise! Die fast vollständige Teilnehmerliste des Urbanutopia-Symposiums:

Birgit Schattling (Bio-Balkon)Kevin Runge (Cubes Circle)
Carolin Engwert (Hauptstadtgarten)Kevin-Lee Kersten (Holzmarkt)
Charlotte Droth & Claudia Nassiv (FYTA)Lea Nassim Tajbakhsh (Acker, Berliner Tafel)
Christoph Kienzendorf (Holzmarkt)Madeleine Schwinge (refuture lab)
Daniel Bosman (Outgreenery)Maria Gimenez (Wilmas Gärten)
Daniel-Jan Girl (Expo 35)Martin Höfft (Café Botanico)
Fabian Hermann (Gartentraum)Martina Kolarek (Die Boden schafft)
Fabian Kramer (Kramer Restaurant)Mira O’Brian (Berlin Drawing Room)
Gaja Vičič (Happy Plants)Rebecca Rongstock (FU Berlin)
Gökcan Guney (CannaBau)Sabine Platz (Autorin, Moderatorin)
Grit Bürgow (Roof Water Farms)Sebastian Behmann (Studio Other Spaces)
Gunhild Rudolph (Pflanzenexpertin)Sylvia Koch (Begrünung & Pflege)
Stephanie Henkel (Botanischer Garten)Thilo Folkerts (100Land)
Jacob Fels & Sara Fonatinve (Tiny Farms & All the Flowers)Tom Michelberger (Michelberger Hotel & Farm)
Johannes Moyer (P2 Objektgrün)Veronika Monheim (ERCO)
Julian Breinersdorfer (Breinersdorfer Architekten)Werner Wiartalla (ufa Fabrik)
Kai Gildhorn (Mundraub)
grüne Expertise

„Ach, die waren auch da?! Und wir haben uns nicht getroffen! Zu schade!“, das sind meine Gedanken nach dem Symposium. Vielleicht kann das ein oder andere Gespräch ja beim Kongress oder im sommerlichen Berlin auf ein leckeres Getränk. Ich freue mich drauf!

Der Ausblick

Dieser Abend auf dem Urbanutopia-Symposium hat deutlich gemacht, dass Boden, Pflanzen und Städte mehr sind als einzelne Elemente – sie sind Teil eines größeren Ganzen. Die Verbindung zwischen Mensch und Natur in urbanen Räumen zu stärken, ist nicht nur ein Ziel, sondern eine Notwendigkeit! Es geht um die Frage, wie wir in Städten leben wollen, die sich mit dem Klimawandel verändern. Es geht darum, Städte fühlbar und lebenswert zu machen – für uns alle.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie wir als Erdbürger:in Trennungen überwinden und ein größeres „Wir“ schaffen können – eine Gemeinschaft, die über die geografische Zugehörigkeit hinausgeht und sich der Natur als Ganzem verpflichtet?

Ich freue mich, wenn Du Deine Gedanken und Ideen mit mir teilst. Was hat Dich inspiriert? Was würde Dich zu so einem Kongress ziehen? Welche Themen beschäftigen Dich?

P.S.: Wer mich an Paul empfohlen hat, bitte melden. Er konnte es mir nicht mehr genau sagen – irgendwer aus dem Berliner Naturschutz?

Teile den Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Aktuelle Beiträge

Trage Dich kostenlos für die Wald- und Wiesenpost ein, und erhalte regelmäßig die neusten Informationen.