Ich sitze am Fenster, schaue in die Regenwolken und lasse die vergangenen eineinhalb Tage noch einmal durch mich durchlaufen.
Die Urban Utopia Conference – angefangen hat für mich alles beim Urban Utopia Symposium im Januar. Ich wusste auch diesmal nicht genau, was mich erwartete.
Nun warteten eineinhalb Tage mit Pflanzenliebhabern aus verschiedensten Branchen auf mich. Lass Dich überraschen!
- Ankommen – vom Stadtrand in die City
- Gelände – gelebte Vielfalt
- Struktur – die etwas andere Konferenz
- Menschen – mit Ideen
- Stimmung – eine gute Balance
- Vorträge & Workshops – Inspiration pur
- Begegnungen – vielseitig & faszinierend
- Reibung
- Impulse
- Ausblick
Ankommen
Ich fahre mit den Öffentlichen einmal durch die ganze Stadt. Spandau liegt einfach nicht am Puls der Zeit. Ich habe meine Kopfhörer auf und höre „Vaitimbora“ von Ava Rocha. Erst später wird mir bewusst wie passend dieses Lied ist.
Hinein bis ins tiefste Friedrichshain. Alle finden es hier hip, toll… ich bin da etwas zurückhaltend.
Am Holzmarkt angekommen war schon etwas Betrieb, allein schon durch die normalen Besucher. Ich habe mein Einlassbändchen bekommen, einen bunten Becher mit meinem Namen drauf und die Wertmarken fürs Essen.
Als Co-Host geht es nun gleich in die nächste Runde.









Gelände
Der Holzmarkt 25 ist ein Ort, an dem viel gleichzeitig passiert. Die Wege sind mit aufgearbeiteten Ziegelsteinen gepflastert, eng, überall wachsen Pflanzen, zwischendrin Verkaufsstände, Werkstätten und Sitzgruppen.
Die Gebäude sind unterschiedlich hoch und aus verschiedenen Materialien gebaut – viel Holz, viel Farbe, viel Improvisation. Oben verbinden Balkon die Häuser miteinander. An der Spree ist es etwas ruhiger.
Zwischen Bäumen und Häuschen gibt verschiedene Wege, Treffpunkte und Flächen, die immer wieder anders genutzt werden. Es sieht nicht aus wie ein klassisches Veranstaltungsgelände. Das ist auch nicht gewollt, glaube ich
Man kommt leicht vom Weg ab, bleibt irgendwo hängen, hört ein Gespräch oder sieht etwas, das man nicht erwartet hat. Mal läuft jemand mit einem Tablett vorbei, mal steht jemand mit Kamera da.
Am Ufer liegt ein Schiff. Direkt daneben blühen Kamille, Klee und andere Pflanzen. Hinter der nächsten Ecke steht ein umgebauter Bauwagen, in dem Essen ausgegeben wird.
Überall hängen Schilder, vieles erklärt sich im Laufe des Tages. Manches gar nicht. Hier ist es irgendwie „bunt“. Berlin eben.





Struktur
Es gibt ja Unterschiede zwischen Tagung, Fachtagung, Fachkonferenz, Messe, Konferenz, Kongress. Die Tage haben einen Raum dazwischen eröffnet.
Was auf der Website fast klassisch wirkt – Zeitplan, Panels, Keynotes – war vor Ort irgendwie anders erlebbar. Die Konferenz hatte Struktur, aber sie war nicht starr. Der Timetable wanderte mit den Wetterereignissen. Es wirkte eher wie ein gemeinsamer Rahmen, in dem etwas entstehen konnte. Mein Gefühl: Hier wurde nicht für ein Publikum etwas abgeliefert, sondern miteinander etwas ausprobiert. Das vollständige Programm findet sich hier: Programm der Urban Utopia Conference
Und, nein, ich habe es mir nicht durchgelesen und durchgearbeitet – weil es bei mir um die Menschen geht. Fachliches ist immer ein nettes Dazu. Aber die Menschen machen es aus, ob Fachlichkeit im Alltag und im Leben auch ankommt und umgesetzt werden kann.
Paul, der als Hauptorganisatior immer wieder moderierte, hat diesen Ton angenehme getroffen. Immer wieder betonte er: „Wenn was fehlt – sagt Bescheid.“ oder „Das hier ist bewusst DIY.“ Sein Umgang mit Sponsoren war erfrischend unprätentiös. Kein PR-Sprech, keine Werbeblöcke – sondern: „Jonas, ich hab dich noch nicht gesehen.“ und: „Ihr könnt ruhig nebenbei klatschen, wenn ihr wollt.“
Auch wenn der Ablauf gehalten wurde – Zeit war immer da. Für Austausch, für Spaziergänge, für das, was sich zwischen den Programmpunkten ergab. Und genau das war für mich entscheidend: Diese Konferenz hat nicht versucht, durch Taktung zu glänzen. Sondern durch Räume. Oder ich habe mir die Räume einfach genommen. Je nachdem.
Menschen
Die Menschen auf der Urban Utopia Conference waren sehr unterschiedlich. Für mich gab keine einheitliche Zielgruppe, keine spezielle Szene, kein Dresscode. Manche kamen aus der Wirtschaft, andere aus der Kunst. Einige waren Teil von Behörden oder Kommunen, andere von Startups oder sozialen Projekten. Und zusammen waren wir eine wundersam bunte, geerdete grüne Bubble.
Ich habe niemanden getroffen, der sich als Aktivist bezeichnet hätte. Und das empfand ich als wohltuend wo es doch so viele Marktschreier und Besserwisser da draußen gibt. Es war kein Überzeugungskampf, kein Ego-Vergleich. Es ging eher darum, zu zeigen, was man tut – und warum mit gleichzeitigem Interesse am Gegenüber.
Viele Gespräche begannen mit: „Und Du, was machst Du?“ – aber ohne Erwartung, dass jetzt ein Businesspitch kommt. Ich musste nicht erklären, warum ich da war nur manchmal, was ich nun doch genau mache. Das war angenehm.
Was mir aufgefallen ist: Viele waren zum ersten Mal bei so einem Format. Das hat eine gewisse Zurückhaltung mit sich gebracht, häufig war der Start ein vorsichtiges Lächeln. Und auch Offenheit.
Weil niemand genau wusste, wie das hier eigentlich läuft, gab es keine Konkurrenz, kein Abklopfen von Relevanz.
Wir stehen noch so richtig schön in der Orientierungsphase einer neuen Gruppe.
Ich selbst bin einfach durchgegangen und habe erst einmal beobachtet und geschaut, wie ich mich dabei fühle. Als Co-Creator habe ich Menschen angesprochen hinter ihren Ständen oder einfach so, wenn es sich ergeben hat. Und ich habe schnell gemerkt: Ich habe mir diese Menschen, diesen ganzen Haufen nicht ausgesucht. Paul hat sie zusammengebracht.
Aber ich kann viele neue Menschen miteinander in Verbindung bringen. Und darauf freue ich mich. Nicht für mich oder mein Projekt. Sondern weil ich weiß, dass da wiederum etwas entstehen könnte, wenn bestimmte Leute voneinander wissen. Ich bin da wie der Katalysator.
Einige von ihnen werde ich wiedersehen. Auf einen Kaffee, auf einem Acker, in einem Garten. Und andere werden sich über diesen Artikel kennenlernen. Oder auf ganz an deren Wegen. Das ist das Schöne am Netzwerken.






Stimmung
Natürlich kam die Frage: „Und, wie war’s so??“
Ich denke kurz nach und lasse die Tage nachklingen: Es gab weder diesen übertrieben Aktionismus, wir müssten jetzt sofort die Welt retten, noch wurde kollektiv gejammert. Das war für mich eine Erleichterung. Auf Gejammere bin ich ja richtig allergisch!
Ich glaube, viele wussten nicht genau, was sie erwartet. Das hat man gemerkt. Aber es war kein Durcheinander, sondern eher vorsichtige Offenheit. Es gab keinen Druck, sich zu präsentieren, weniger Wettbewerb um Aufmerksamkeit oder den besten Businespitch. Wir befinden uns noch so richtig schön in der Orientierungsphase nach Lowny/Bernstein.
Für mich war das eine gute Atmosphäre. Ruhig, freundlich, konzentriert, wohlgesonnen. Daher kann ich auf die Frage ganz friedlich antworten: Es war gut.
Vorträge
Die Vorträge sind natürlich ein wichtiger Punkt bei einer solchen Veranstaltung… Doch ich bin tatsächlich zum Holzmarkt gefahren ohne das Programm gelesen zu haben. Dabei war es ein wirklich umfassendes, intensives, vielfältiges Programm. Schau hier gerne mal nach, wer alles da war und über welche Themen gesprochen hat: Das Programm der Urban Utopia Conference 2025
Ich habe mir nicht alles angehört. Das war eine bewusste Entscheidung. weil ich eher auf Gespräche und Begegnungen eingestellt war. Was ich gehört habe, war fachlich gut und ohne Übertreibung. Hier kommen meine Eindrücke
Britta Behrendt
Die Eröffnung durch die Staatssekretärin Britta Behrendt war klar und politisch deutlich.
Sie sprach nicht lange. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir, wie sie sich gegen die Erzählung stellte, dass die „Jugend von heute“ nichts leisten wolle. Im Gegenteil – sie lobte das Engagement junger Menschen für Umwelt, Klima und Gesellschaft. Und sie betonte, dass viele von uns Älteren gut daran täten, genau hinzuhören.
Auch politisch wurde sie deutlich: Ihre Haltung gegen rechte Positionen war klar – und das als CDU-Politikerin. Keine Show, kein Pathos oder fadenscheinige Ausreden – sondern eine sachliche, feste Aussage.
Insgesamt war ihre Rede ein starker Einstieg.
Irgendwie nur komisch, dass solche Meschen eine Veranstaltung eröffnen und dann gleich wieder weiter müssen. Wie behalten sie den Kontakt, wenn sie die Stimmung nicht wirklich aufnehmen können und gleich der nächste Termin juckt? Darüber mache ich mir wann anders mal mehr Gedanken.
Bernhard Kegel
Bernhard Kegel stellte sein neues Buch Mit Pflanzen die Welt retten vor.
Er positionierte das Buch bewusst als Gegenstück zu den vielen Klima- und Umweltbüchern, die vor allem auf Katastrophenszenarien setzen. Er hat sich nicht auf Schuldfragen konzentriert, sondern Denkfehler aufgezeigt. So gefällt mir das. Nur wenn wir etwas verstehen, können wir handeln. Sonst rennen wir nur irgendeiner Idee hinterher.
Bei den Denkfehlern habe ich wirklich gestaunt – es hilft gar nichts, Bäume zu pflanzen, Aufforstung sei nicht immer gut. Ach was?! Kegel erklärte, warum das nicht zwangsläufig stimmt – vor allem nicht in großem Maßstab. Neue Wälder erzeugen dunkle Flächen, die Wärme speichern und dadurch lokal sogar zur Erhitzung beitragen können. Darüber hatte ich so noch nie nachgedacht.
Was mir gefallen hat: Er hat nichts beschönigt. Aber auch nichts zugespitzt und dramatisiert. Es war sachlich, wissenschaftlich und zugänglich. Ich kenne jetzt ein Buch, das bei mir einziehen wird.
Am Ende steht der Satz im Saal:
„Pflanzen alleine werden die Welt nicht für uns retten, aber ohne sie schaffen wir es bestimmt nicht.“ (In Anlehnung an Hans Joosten)
Grün Berlin
Sehr interessant fand ich den Vortrag von Grün Berlin zur Bewirtschaftung der Freiflächen am ehemaligen Flughafen Tegel, der zukünftigen Landschaftspark Stadtheide Tegel. Es ging um die Frage, wie man große Flächen offen halten kann, ohne sie zu verbauen oder teuer zu pflegen.
Ziegen und Schafe wurden eingesetzt, kommen mit den Pappeln aber nicht klar, bzw. lassen diese stehen – und schon sind wir mitten in der Verbuschung. Also wird über technische Lösungen nachgedacht – z. B. Drohnen zur Flächenerfassung und Pflanzenerkennung und gezielte Entfernung der Pionierpflanzen – durch intelligente Maschinen.
Ich bin mal gespannt, wo da die Reise hin geht. Ich frage mich nur, ob der Weg über KI in diesem Fall der beste ist. Oder ob es nicht auch andere Lösungen gäbe. Zum Beispiel durch Beteiligung von Kitas, Schulen oder anderen Gruppen. So etwas braucht Koordination, aber es könnte mehr als nur Technik leisten und Menschen verbinden.
Paul Krüger
Paul Krüger war eines der ersten Gesichter, das mir auf dem Gelände begegnet ist. Er wirkte konzentriert, fast angespannt. „Ich bin Paul, der Musiker“, sagte er.
Weil ich ja das Programm nicht gelesen hatte, wusste ich nicht, was er genau machen würde. Wir haben kurz miteinander gesprochen wie es in so Gemeinschaftsanfangsphasen eben so ist.
Später stand er auf der Bühne im abgedunkelten Säälchen. Vor ihm: eine Pflanze, ein blau blinkendes Modul, ein paar Kabel.
Er hat über die Pflanze Töne erzeugt. Die Signale der Pflanze wurden verstärkt, verarbeitet und in Klänge umgewandelt. Ich weiß nicht, wie es technisch genau funktioniert, aber die Musik, die dabei entstand, war ruhig, ungewohnt, fast ein bisschen wie aus einer anderen Welt. Und dabei mag ich elektronische Musik gar nicht so gerne.
Danke, lieber Paul, für dieses Erlebnis!
Hildegard Kurt
Eine der Reden am Freitagmorgen hielt Hildegard Kurt. Sie arbeitet im Bereich Naturphilosophie und künstlerische Forschung. Ihr Thema war die Natur als Gegenüber.
Die Grundidee fand ich sehr beeindruckend: Dass wir das einatmen, was Pflanzen ausatmen – und umgekehrt – ist ein einfaches, klares Bild. Es macht bewusst, wie eng wir verbunden sind. Wenn man das einmal wirklich verstanden hat, wird man langsamer. Und vielleicht auch freundlicher.
Ihr Beitrag hat viele emotional angesprochen. Für mich war das ein Ticken zu intim. Diese Erfahrung wünsche ich allen, die mit Natur zu tun haben – aber nicht in einem abgedunkelten Saal in Friedrichshain.
Grüne Apotheke Berlin
Am Nachmittag durfte ich einen Workshop anmoderieren: Die Grüne Apotheke der Stadt mit Lea Nassim Tajbakhsh von Sinnkraut und Anwar Siddique, Heilpraktiker, Heilkräuterliebhaber und Apotheker in einer Bezirksapotheke.
Es ging um Heilpflanzen in der Stadt, um das Sammeln, Verarbeiten und das Wissen, das oft verloren geht. Wir haben einen Auszug aus Schafgarbe gemacht. Nicht symbolisch, sondern ganz praktisch.
Ich finde das Thema wichtig. Gleichzeitig sehe ich Grenzen. Es gibt einen Unterschied zwischen traditionellem Pflanzenwissen und medizinischer Anwendung. Und ich finde, man sollte klar bleiben, was man tut und was man nur weitergibt, weil man es irgendwo aufgeschnappt hat.
Die Grenze zur Esoterik ist in solchen Formaten manchmal nah – aber Lea und Ansvar haben sie nicht überschritten. Es ging um die Pflanze, um Wirkung, um Herstellung.
Der Rahmen war ruhig, die Gruppe interessiert. Ich war gern dabei.
Insgesamt war es gut, dass man wählen konnte, was man hören wollte – ohne Druck.






Begegnungen
Für mich ging es auf der Urban Utopia Conference vor allem um die Begegnungen.
Ich habe Menschen getroffen, mit denen ich sonst wahrscheinlich nicht in Kontakt gekommen wäre. Manche Gespräche waren kurz. Andere tiefer. Einige davon werden sicher weiter gehen. Vor dem Säälchen gab es eine kleine Ausstellung durch traditionelle Betriebe und Vorstellungen geniales Startups.
Regenmodule
Vor dem Säälchen stand eine wirklich schöne Holzbank – sie entpuppte sich als Regenwasserspeicher bis hinter den Rücken. Kein Wasserbett, sondern eine Wasserbank aus Holz sozusagen. Thea und Kitty beschäftigen sich mit einem Thema, das gleichzeitig technisch, gestalterisch und ökologisch relevant ist – Sitzmöbel, die Regenwasser speichern. Wie cool ist das denn, bitte?
Sie haben mir erzählt, wie das Projekt entstanden ist und wie schwierig es war, es überhaupt weiterzuführen. Kurz vor Abschluss ihres geförderten Vorhabens wurden die Mittel gekürzt – wegen der Rückzahlungen der Corona-Hilfen. Trotzdem haben sie nicht aufgegeben.
Heute stehen ihre Regenmodule in Stuttgart. In Berlin ist es bisher schwer, Fuß zu fassen. Dabei sind die Bänke nicht nur funktional, sondern auch wirklich schön.
Mehr Bilder, mehr Einblicken, mehr Kontext gibt’s im extra Blogartikel – das würde hier den Rahmen sprengen.
👉 Wenn Du dann weiterlesen willst: Hier geht’s zu den Regenmodulen
Maltaflor
Im Säälchen hatte ich gleich zu Beginn vor den ersten Reden ein kurzes Gespräch, erst gegen Ende fiel mein Blick auf das Namensschild: Maltaflor. Ich musste lachen: „Ach, das ist ja mein Lieblingsdünger.“
Der Mann gegenüber stutze kurz überrascht und meinte: „Witzig, ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie wir hierhergekommen sind.“ (Es könnte ich gewesen sein, die sie hierher empfohlen hat, denn ich finde dieses Produkt wirklich weltklasse!)
Ich freue mich schon darauf, ihre Produktion irgendwann mal anzusehen. Und hier geht es zu einem ausführlicheren Artikel über Maltaflor, denn ich arbeite seit Jahren mit diesem Dünger.
👉 Hier geht’s bald weiter.

Der Mann am Klavier, der sich für ein besseres Leben für und mit Pflanzen in Städten einsetzt. Ein lasse ich ihm gerne: Ich war auf einer Veranstaltung, die nichts mit Wald und Jagen oder Lindy Hop zu tun habe, wo ich so richtig niemanden kannte und habe mich sehr wohl gefühlt.