Warum die Gärten unserer Kindheit heute wichtiger sind denn je

Erinnerungsanker setzen

Ein Ruhepol in einer überreizten Welt

Wir leben in einer Zeit, in der alles immer verfügbar ist. Wir können im Supermarkt zu jeder Jahreszeit Erdbeeren kaufen, in wenigen Stunden (fast) ans andere Ende der Welt fliegen und uns online in jede erdenkliche Landschaft hinein zoomen. Zwischen Social Media, globalen Wirtschaft und permanenter Erreichbarkeit bleibt oft kaum noch Raum für das Gefühl von Hier und Jetzt. Jaja, dieses Hier und Jetzt!

Die Gärten unserer Kindheit waren meist etwas völlig anderes: klar umrissene, greifbare Orte. Kein endloser Bilderstrom, keine ständige Ablenkung. Nur das, was gerade da war und was uns vorgegeärtnert wurde, auch wenn wir als Kinder entweder frei sein konnten oder Lakeienarbeit übernehmen mussten.

Lies dazu auch wie wegweisend Gartenerinnerungen für den eigenen Garten sind.

Gegenstück zur Schnelllebigkeit

Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu verklären. Die Gärten unserer Kindheit waren Produkte ihrer Zeit – mit ihren guten und schlechten Seiten. Entscheidend ist, dass sie uns etwas mitgegeben haben, was heute oft fehlt: natürliche Rhythmen, klare Grenzen und Zeit, Dinge wachsen zu sehen. Diese Erfahrungen lassen sich in den heutigen Alltag holen – auch wenn er schneller, voller und digitaler ist. Es geht darum, bewusst Räume zu schaffen, in denen wir uns und anderen diese Ruhe ermöglichen.

Diese Wiederholungen sind kein Zeichen von Langeweile – im Gegenteil. Sie geben uns Sicherheit und Verlässlichkeit. Heute können wir dieses Prinzip ganz bewusst als Gegengewicht zu einer Welt nutzen, in der alles immer neu, immer anders, immer schneller sein soll.

Vertrauen und Sicherheit

Ein Garten kann ein verlässlicher Ort sein. Für Kinder bedeutet das: Hier gilt nicht der Takt von Terminen und Verpflichtungen, sondern der Rhythmus der Natur. Da kann nichts schneller oder langsamer gedreht werden. Es ist, wie es ist.
Wer diesen sicheren Rahmen einmal erlebt hat – sei es beim Naschen der Beeren vom Strauch oder beim Spielen im Gebüsch, trägt dieses Gefühl ins Erwachsenenleben. Es ist die Gewissheit, dass es Orte gibt, an denen man ankommen und einfach sein darf. (Natürlich nur, wenn man unkrauten, ernten oder Laub rechen musste!)

Die Kinder haben Erwachsene erlebt, die das vorleben und zwar Abseits des Arbeitsalltags. So gut sie es eben können. Das haben die Erwachsenen selten gemacht, um den Kindern zu imponieren oder etwas vorzuführen. Meistens hatten sie selbst eine Idee davon hatten, wie sie leben wollten – und diesen Weg im eigenen System verfolgt haben: Häufig ging es um „endlich mal was Schönes“ (mit Blumen und so) oder ganz pragmatisch um die Versorgung der Familie mit kostengünstigen, gesunden Lebensmitteln.

Gärten als Bindeglied zwischen Generationen

Ein Garten ist mehr als ein Stück Land, auch wenn der Duden einen Garten eher pragmatisch sieht. Ein Garten ist ein Raum, in dem Werte weitergegeben werden – oft ohne dass jemand sie ausspricht. Nachhaltigkeit, Geduld, Fürsorge, Achtsamkeit, gesunde Ernährung. In den Gärten unserer Kindheit haben wir gelernt, dass manches Zeit braucht, dass man ernten kann, was man pflegt, und dass es sich lohnt, auch kleine Dinge zu schätzen und manche Sachen einfach gemacht werden müssen.

Wer heute Kinder um sich hat – eigene, Enkel, Patenkinder oder Nachbarskinder – kann ihnen mit einem Garten genau diese Erfahrung schenken. Und zwar eben nicht als übergestülptes Konzept sondern ganz wirklich mit dem eigenen Bewegen im Garten. Kinder schnallen das, wirklich!

Bewusst gelebte Gegenwart statt Nostalgie

Wie gesagt: Es geht nicht darum, die Vergangenheit schönzureden oder „Früher war alles besser“. Früher war vieles anders – und nicht alles davon war gut. Die Gärten unserer Kindheit waren so unterschiedlich wie die Menschen, die sie geführt haben – mit ihren Stärken und ihren Schwächen. Entscheidend ist, was wir daraus mitnehmen können: natürliche Rhythmen, beständige Abläufe und das Wissen, dass es Zeit braucht, bis etwas wächst und einer besondere Art der Verbindung zu den Menschen, in deren Gärten wir waren.

Diese Ideen und Werte lassen sich in den heutigen Alltag holen, auch wenn er schneller und voller ist. Ich glaube nicht, dass dieses Phänomen nur daran liegt, dass wir erwachsen geworden sind…
Das bedeutet, wir können uns bewusst Räume schaffen, in denen wir entschleunigen können – für uns selbst und für die Menschen, die uns begleiten. Und wir können darauf achten, was uns gut tut: mehr Draußenzeit, mehr Beobachtung, mehr natürliche Rhythmen. Diese Elemente können wir bewusst in unser Leben zurückholen, auch wenn sich die Welt drumherum verändert hat.

Eine Investition in die Zukunft

Wer heute Kindern Gartenmomente schenkt, investiert in ihre Naturverbundenheit und sogar in ihre seelische Gesundheit. Dazu gibt es einen sehr interessanten Beitrag in der National Libary of Medicine: Naturerfahrung und seelische Gesundheit bei Kindern – theoretische Ansätze und ausgewählte empirische Befunde

Kinder lernen Dinge, die kein Schulfach vermittelt: dass manches Geduld braucht, dass nicht alles sofort zu haben ist und dass Langeweile voller Leben sein kann. Sie erleben, wie aus einem Samenkorn eine Pflanze wird, wie Regen dem Boden gut tut und entwickeln ein Gespür für die Jahreszeiten.

Diese Eindrücke bleiben. Selbst im hohen Alter erinnern sich viele Menschen noch an (Fragmente aus dem) den Garten ihrer Kindheit, an den Geruch von frisch gemähtem Gras, den Geschmack der ersten Erdbeeren. Häufig sind es auch Erinnerungen an Bäume. Kennst Du das Buch „Der Geschmack von Apfelkernen“? Das hat mich sehr berührt.

Darum lohnt es sich, diese Momente im Heute zu schaffen. Für Kinder, für uns selbst und vielleicht auch für den Moment, wenn wir eines Tages auf unser Leben zurückblicken und sagen: „Das war mein Garten.

apfelglücklich

In diesem Sinne:

Gärtnere Dich grün.wild.wunderbar

Deine Gunhild

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