4:30 Uhr – Blaue Stunde

Die Stadt schläft noch. Der Gründonnerstag ist erst vorbei – und doch schon so lange her.

Nur die Vögel sind wach:
Da ist der Hausrotschwanz und die Singdrossel. Der Hausrotschwanz hört sich an wie eine knisternde Telegraphenleitung aus alten Filmen. In der Ferne sind es noch mehr Vögel. Ich kenne sie nicht alle.

Kaum Verkehr. Irgendwie vermisst mein Ohr den Kuckuck. 

Feiertag. Die Amsel fehlt auch noch. Die Stadt schläft. 

(Wenn Du auch Vogelstimmen lernen willst, schau Dir mal meine Lieblingsapps für unterwegs an.)

5:00 Uhr – Aufwachen

Ein Motorrad pöttert laut surrend vorbei. Es passt nicht in die Kulisse. Sonst ist Ruhe.

Gestern, am Gründonnerstag, lag schon eine merkwürdige Stimmung in der Luft.

Heute scheint sie sich zu verdichten, ein weiterer merkwürdiger Tag. Die Stadt hat einen Feiertag geschenkt bekommen. Einen Feiertag, an welchem man mal nichts machen muss. Anders als bei den Weihnachtsfeiertagen. Ostern ist noch weit genug entfernt.

Ob es an meiner Wahrnehmung liegt oder woran auch immer: Über der Stadt liegt eine tiefe Erschöpfung. Klar, Berlin ist sexy und so, schläft nie. Ich weiß. Dieser Morgen hört sich anders an. Berlin, sonst laut und rastlos, wirkt erschöpft.

Vermisse ich die Traditionen von früher? Ein bisschen. Und doch bin ich froh, dass wir nichts müssen. Kein Licht an. Leise und schnell anziehen. Gottesdienst. Wieder nach Hause. Damit ist der halbe Freitag schon definiert.

5:10 Uhr – Zwischen Tradition und Jetzt

Die Ringeltaube wacht auf und meldet sich verschlafen zu Wort. Schlaf weiter, liebe Taube. Auch wenn es laut Vogeluhr für Dich fast Zeit wäre.

Der Verkehr nimmt zu. Schon fast zu laut. 

Kann man einen Karfreitag auch energetisch spüren? Oder ist das alles Quatsch? Meine Kinder kennen das nicht. Ich würde jetzt mal sagen, die wenigsten kennen das: Keine Orgel, weil Karfreitag, keine Kerzen, weil Karfreitag, keine Blumen, weil Karfreitag.

Sind das gute Traditionen? Ich weiß es nicht. Was ist mit den Blumen, den Vögeln? Die machen weiter, wie es die Natur vorgibt. Ohne Zurückstecken. Künstlicher Verknappung, damit es danach sinnhafter erscheint. Dies Jahr ist wieder alles früher. Die Elche im Norden wandern schon. Es gibt weniger Eis und Schnee. In Berlin und Umgebung fehlt seit langem der Regen.

Eine Eingangstüre klappt.

Was ist das für ein Tag, dieser Karfreitag in der Karwoche?

Ich werde einfach noch mal ins Bett gehen, den Karfreitag Karfreitag sein lassen und den Gründonnerstag weiterführen. 

In einer halben Stunde geht die Sonne auf. Die ersten Krähen fliegen. Seit einer Weile gibt es fröhliche Stimmen in der Nähe. Ein fröhlicher Austausch. Die Farbe des Himmels ist zu erahnen.Etwas diesig blau. Davor steht der Spitzahorn. Unser Hausbaum. Noch kann das Auge die Blüten und Blätter nicht trennen. Wie sind mit den äußeren Sinnen nicht besonders gesegnet worden. Sei‘s drum. Die Taube auf dem Nachbarbaum ist aufgewacht und die erste Meise ist da.

Dämmerung auf dem Balkon ohne Spiegel

5:30 Uhr – Blaue Stunde

und es wirkt fast hektisch – im Vergleich zu vor einer Stunde. In ziemlich genau 20 Minuten geht die Sonne auf. Wir haben die Bürgerliche Dämmerung. Das ist eine offizielle Bezeichnung. Umgangssprachlich gibt es auch die Blaue Stunde.

8:30 Uhr – Hallo Tag?

Staubfeiner Nieselregen. Die Vögel sind wieder still. Nur die Spatzen schimpfen. Die können immer! Ich freue mich schon auf unsere Spatzengang, wenn sie wieder am Balkongelände herumturnen und auf das Futter warten.

Alle, die irgendwo hin fahren wollte , sind weg. Es ist ruhig.

Hallo Karfreitag. Symbolisch gibt es für mich heute digital detox day. (Geht natürlich nicht ganz, mitten im Launch.)

weiße und gelbe Osterglocken im Dämmerlicht in einer goldenen Vase
einfach noch nicht hell genug für Schärfe

Mit den in der Dämmerung leuchtenden Narzissen und den Wachteleiern wünsche ich Dir heute:

Bleibe grün.wild.wunderbar, morgen geht es weiter mit Karsamstag.

Deine Gunhild

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