Wenn ich in Schweden unterwegs bin und mit dem Auto durch die Wälder fahre oder über Kuhweiden wandere, dann hüpft mein Herz jedes Mal ein kleines bisschen, wenn ich Glockenblumen entdecke. Sie wachsen zwischen Felsen, auf mageren Wiesen oder am Waldrand, so dezent und so hübsch. Ja, ich muss dann immer wieder hinschauen. Das sind dann die Herzensfotos, denn so richtig gut in die Kamera bekomme ich sie nicht.
Vielleicht liegt es daran, dass Blau in der Natur eine fast verrückte Farbe ist. Wirklich echtes Blau gibt es selten – nur 7,5% der Blütenpflanzen werden als Blau wahrgenommen. Das ist schon besonders, wo Blau doch die Lieblingsfarbe der Menschen ist – aller Menschen, versteht sich. Damit wir wenigstens einmal pauschal bleiben!

Jeder Farbe werden verschieden Bedeutungen und Wirkungen zugeschrieben. Und tatsächlich lässt sich die Farbe Blau in der Pflanzenwelt schwer festhalten. Sie ist sehr flüchtig. Ganz im Gegensatz zu dem, was wir dem Blau zuschreiben:
„Blau steht für Entspannung, Ruhe, Gelassenheit, Treue, Freiheit, Tiefe, Sehnsucht. Kalte Blautöne vermitteln Härte oder Gefühllosigkeit. Das Element von Blau ist Wasser. Seine Wirkung ist schmerzlindernd, kühlend, blutdrucksenkend, antiseptisch, wundheilungsanregend, nervenberuhigend.“ (Beitrag der Oberbergklinik)
Und dann ist da meine ganz persönliche Verknüpfung: Bei blauen Glockenblumen denke ich sofort an Schweden
Direkt verknüpft mit der Schwedin Elsa Beskow und ihre reduzierten, kindlichen Zeichnungen. Vielleicht ist es nur eine Erinnerung an die Kinderbücher, vielleicht ist es wirklich typisch schwedisch. Ich weiß es nicht. Jedenfalls mag ich Glockenblumen sehr und habe dann sofort das Gefühl, an genau dem richtigen Ort zu sein: In Schweden
In diesem Blogartikle geht es also um die Glockenblumen in Schweden (und vielleicht auch ein bisschen um die Glockenblumen in Deinem Garten)
Inhaltsverzeichnis
- Botanischer Überblick: Familie der Glockenblumen (Campanula)
- Die drei Arten im Porträt
- Glockenblumen in der Kultur: Von „Blåklocka“ bis Elsa Beskow
- Ökologische Bedeutung: Insekten, Standorte, Unterschiede zu Deutschland
- Warum Glockenblumen für mich zu Schweden gehören
Botanischer Überblick: Glockenblumen (Campanula)
Die Glockenblumen gehören zur Familie der Glockenblumengewächse (Campanulaceae). Weltweit gibt es über 1.100 Arten, in Europa sind es vor allem die Vertreter der Gattung Campanula (insgesamt ca. 300 Arten), die uns begegnen. Typisch ist ihre glockenförmige Blüte, meist in Blau- oder Violetttönen, manchmal auch weiß. Hier sind die offensichtlichen Merkmale sehr schön bildlich zusammengefasst: Campanulaceae (Glockenblumengewächse) in Bildern
Die Pflanzen sind mehrjährig, viele Arten wachsen horstig oder mit schlanken Stängeln. Ihre Blütezeit reicht je nach Art vom frühen Sommer bis in den Spätsommer. Bestäubt werden sie vor allem von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen, die in die tiefen Kelche eintauchen. Damit ist diese Gattung ökologisch besonders wertvoll.
In Schweden sind Glockenblumen besonders an den Rändern von Wiesen, auf mageren Weiden, zwischen Geröllfelsen und an lichten Waldrändern zu finden. Sie kommen dort besser zur Geltung als in Mitteleuropa, wo intensiv genutzte Flächen viele dieser Standorte verdrängt haben.
Gleichzeitig sind Glockenblumen seit Jahrhunderten auch beliebte Zierpflanzen. Vor allem die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) wurde stark in die Zucht genommen: Es gibt gefüllte Sorten, weiße Auslesen und niedrig wachsende Formen für Beete und Steingärten. Auch andere Arten, etwa die Rundblättrige oder die Knäuel-Glockenblume, sind in Sortenhandel und Staudengärtnereien zu finden. In vielen Gärten wirken sie längst nicht mehr wie wilde Sommerblumen, sondern wie Blütenplüschs, die richtige Blütenteppiche bilden können. Dabei verlieren sie aber irgendwie ihre ursprüngliche Leichtigkeit.
Botanische Eckdaten zu Campanula (Glockenblumen)
- Familie: Campanulaceae (Glockenblumengewächse)
- Gattung: Campanula, ca. 300 Arten weltweit
- Lebensform: meist ausdauernde, krautige Pflanzen, teils zweijährig
- Wuchsform: aufrechte, horstige oder niederliegende Stängel, je nach Art 10–100 cm hoch
- Blüten: typisch glockenförmig, fünfzipfelig, meist blau bis violett, selten weiß
- Blütezeit: je nach Art Juni bis September
- Bestäubung: vor allem Bienen, Hummeln, Schmetterlinge (Nektarpflanzen)
- Früchte: Kapselfrüchte mit zahlreichen feinen Samen
- Standorte: magere Wiesen, Waldränder, Felsen, Trockenrasen, in Schweden oft in Kulturlandschaften mit extensiver Nutzung
- Zierpflanzen: viele Arten in Kultur, z. B. Campanula persicifolia (Pfirsichblättrige Glockenblume) mit gefüllten Sorten, Campanula glomerata (Knäuel-Glockenblume), Campanula carpatica (Karpaten-Glockenblume) für Steingärten
- Besonderheit: echte blaue Blütenfarbe in der Natur selten – Glockenblumen gehören zu den wenigen klarblauen Wildpflanzen
Die drei Arten im Portrait
1. Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia)
Die Pfirsichblättrige Glockenblume begegnet mir hier in Schweden oft am Waldrand oder an lichten Wegrändern. Sie wirkt fast aristokratisch zwischen den anderen Sommerpflanzen oder auf den kurzgefressenen Weiden, weil ihre Stängel so aufrecht stehen und die Blüten weit geöffnet sind. Sie fällt sofort auf, auch wenn sie nicht in großen Beständen wächst sondern eher feenartig verstreut.
Botanische Stichpunkte:
- Wuchshöhe: 30–100 cm
- Blätter: schmal, pfirsichblattähnlich (daher der Name), grundständig rosettig, am Stängel lanzettlich
- Blüten: glockenförmig, weit geöffnet, meist hellblau bis violett, selten weiß, 3–5 cm lang
- Blütezeit: Juni bis August
- Standorte: Waldränder, Wiesen, Böschungen, lichte Wälder, bevorzugt eher frische bis mäßig trockene, nährstoffarme Böden
- Verbreitung: Europa weit verbreitet, in Schweden häufig
- Zierpflanze: stark in Kultur genommen, viele Sorten (gefüllt, weiß, kompakt)
Die Pfirsichblättrige Glockenblume ist wohl die bekannteste ihrer Gattung, zumindest wenn es um die gärtnerische Nutzung geht. In Schweden wächst sie noch viel wild, während wir sie in unseren Gärten längst in allen Variationen gezüchtet vorfinden: gefüllte Blüten, weiße Sorten, niedrige Zuchtformen für Beete und Steingärten.
Mir gefällt die ursprüngliche Variante am Besten. Ohne Schnickschack und trotzdem so schön!


2. Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata)
Die Knäuel-Glockenblume wirkt auf mich immer ein bisschen kräftiger als ihre Verwandten. Im allerersten Blick könnte man auch an einen langstieligen Enzian denken, vor allem, wenn die Blüte noch geschlossen ist. In Schweden habe ich sie an einer Böschung zwischen Waldstraßen und Grundstück gefunden.
Botanische Stichpunkte:
- Wuchshöhe: 20–60 cm
- Blätter: grundständige Blätter eiförmig, gestielt; Stängelblätter schmaler, sitzend
- Blüten: glockenförmig, dicht in kopfigen Büscheln (Knäueln) angeordnet, meist violettblau, selten weiß
- Blütezeit: Juni bis August
- Standorte: Magerwiesen, Böschungen, Wegränder, trockene bis frische, kalkhaltige Böden
- Verbreitung: Europaweit, in Schweden häufig in offenen Landschaften
- Zierpflanze: einige gärtnerische Sorten, meist kompaktwüchsig, gelegentlich auch als Schnittblume genutzt
Die Knäuel-Glockenblume trägt ihren Namen weil die einzlnen Blüten so eng beieinander sitzen, dass am Triebende ein Knäuel entsteht. Gerade diese Wuchsform macht sie unverwechselbar. In Schweden findet man sie dort, wo der Boden nicht besonders nährstoffreich ist, aber Sonne und Trockenheit aushaltbar bleiben. Als Gartenpflanze find ich sie schwierig zu kultivieren. Vielleicht finde ich sie eben deshalb so reizvoll – weil sie eben nicht einfach so in den Garten zu holen ist. Wenn ich sie sehe, höre ich Kuhglocken läuten als sei ich auf einer Alm…


3. Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia)
Die Rundblättrige Glockenblume ist für mich die zarteste der drei Arten. In Schweden ist sie unter dem Namen „blåklocka“ bekannt. Sie gilt dort fast als die Glockenblume schlechthin. Ihre dünnen Stängel wiegen sich schon beim kleinsten Windhauch, und trotzdem hält sie sich an den kargen, steinigen Standorten zwischen Flechten und Moos. Meine Schweden-Glockenblume
Botanische Stichpunkte:
- Wuchshöhe: 15–40 cm
- Blätter: grundständig rundlich bis herzförmig, am Stängel dagegen schmal und linealisch; die runden Grundblätter oft früh absterbend
- Blüten: glockenförmig, nickend, zartviolett bis hellblau, einzeln oder in lockeren Trauben
- Blütezeit: Juni bis September
- Standorte: trockene Wiesen, Heiden, Felsritzen, Wegränder; bevorzugt magere, sandige bis steinige Böden
- Verbreitung: sehr weit verbreitet, von West- bis Nordeuropa, in Schweden charakteristische und volkstümlich stark verankerte Art
- Zierpflanze: weniger stark in Zucht genommen als andere Arten, aber beliebt in Naturgärten und Steingärten
Die Rundblättrige Glockenblume ist eine Meisterin der Bescheidenheit. Sie wächst dort, wo es wenig Nährstoffe gibt, und überlebt selbst dann, wenn der Sommer trocken und unfreundliche ausfällt. Ihre Blüten hängen leicht nach unten und nicken gerne im Wind.



Glockenblumen in der Kultur
In Schweden trägt die Rundblättrige Glockenblume den Namen „blåklocka“, was wörtlich „blaue Glocke“ bedeutet. Im Jahr 2021 wurde sie in einer öffentlichen Abstimmung zur neuen Nationalblume Schwedens gewählt. Sie ist also weit mehr als nur eine hübsche Wildpflanze. Jetzt ist sie auch ein offizielles Symbol, das in gewisser Weise Nationalstolz trägt… und dabei ist sie so klein und zierlich…
Auch im Mittsommerfest spielt sie eine Rolle. Beim Kranzbinden darf die kleine blaue Glocke gern mit hinein – sie setzt dort einen kühlen Farbakzent zwischen Weiß und Gelb. Wobei es bei einem Mitsommar-Kranz sieben verschiedene Blumen sein sollen, Gräser zählen nicht. Dann auf den Blumen schlafen und von der Liebe des Lebens träumen.
Was mich persönlich betrifft: Wenn ich Glockenblumen sehe, denke ich sofort an Elsa Beskow. Sie war eine der bekanntesten schwedischen Kinderbuchautorinnen und Illustratorinnen. Ihre Geschichten und zarten Bilder gehören zur kulturellen Identität Schwedens. In ihren Blumenbildern findet man zwar selten explizit die „blåklocka“, aber häufig ganz spezifische Blütenränder und Stilformen, die mich immer an diese Pflanzen denken lassen. Klein und zierlich eben.
Hier gibt es einige Bücher, die ich sehr empfehlen kann. Ich finde, allen großen und kleinen Kindern sollten diese Bücher vorgelesen werden. Am besten immer und immer wieder:
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Ökologische Bedeutung der Glockenblumen
Insektenfreundliche Nektarpflanzen
Glockenblumen (Campanula-Arten) sind wertvolle Nektarpflanzen. Besonders Bienen, Hummeln und Schmetterlinge fliegen ihre tiefen, glockenförmigen Blüten an, um Nahrung zu finden. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Bestäubung und fördern die biologische Vielfalt.
Indikatoren für magere Standorte
Vor allem in Schweden stehen Glockenblumen oft auf mageren Wiesen, Trockenrasen und Geröllflächen. Diese Lebensräume sind ökologisch wertvoll, aber selten geworden, weil sie durch intensive Landwirtschaft zurückgedrängt werden. Glockenblumen zeigen also an, wo extensive Nutzung stattfindet und die Landschaft noch artenreich bleibt.
Mehr Lebensräume in Schweden
In Schweden findet man Glockenblumen noch vergleichsweise häufig. Das liegt daran, dass es dort größere Flächen extensiver Kulturlandschaft gibt: Wiesen, Waldränder und Weiden, die nicht so stark gedüngt oder übernutzt werden. Zwischen Felsen, auf mageren Wiesen und an Waldrändern können sich Glockenblumen ungestört halten.
Rückgang in Deutschland
In Deutschland sind Glockenblumen dagegen vielerorts seltener geworden. Durch intensive Landwirtschaft, häufiges Mähen und hohe Düngung verschwinden ihre bevorzugten mageren Standorte zunehmend. Auch Flächenversiegelung und Zersiedelung tragen dazu bei, dass Glockenblumen sich zurückziehen.
Warum Glockenblumen für mich zu Schweden gehören
Blau ist wunderbar und Glockenblumen sowieso. Vielleicht oder gerade weil sie nicht an jeder Ecke auftauchen. Oft stehen sie vereinzelt am Rand einer Weide, zwischen Felsen oder am Waldrand, zumindest in Schweden.
Für mich sind Glockenblumen deshalb mehr als botanische Beobachtungen. Sie sind wie kleine Marker im Gelände, die anzeigen, wie viel Natur wir einer Landschaft zugestehen. Und in Schweden gehören sie für mich untrennbar zum Sommer dazu.
In diesem Sinne: Bleibe grün.wild.schwedisch
Deine Gunhild