Was wäre, wenn es ein neues Wort fürs nachhaltige/naturnahe Gärtnern gäbe? Eins, das nicht vom Designen oder Beherrschen spricht, sondern von Rücksicht, Geduld und einem liebevollen Blick. Gartengütig – so nannte es eine Leserin meiner Wald- und Wiesenpost. Und plötzlich war er da: ein neuer Begriff, der der mir richtig gut gefällt, weil er kurz und knapp ganz viele Informationen richtig weiter gibt.
Hier gibt es also einen Blogartikel über einen neuen Begriff, der nicht von mir kommt.
- gartengütig – was heißt das eigentlich?
- gartengütig statt perfekt: Warum wir anders gärtnern dürfen
- gartengütig sein: 7 kleine Taten mit großer Wirkung
- gartengütig – Gärtnern ohne Gartenwashing
- Die Kunst des gartengütigen Lebens

gartengütig – was heißt das eigentlich?
Ich hatte in einer Wald- und Wiesenpost eine Umfrage gestartet, ob ein zusätzlich zu meinem Newsletter noch eine weiter Mail geben soll. „Digitale Gartenbriefe“ für den inneren und den äußeren Garten, weil ich die Idee habe, neben dem eher informativen Newsletter weiter in die Tiefe zu gehen. Eine Antwort-E-Mail war freundlich, knapp und beschreibt meine Wald- und Wiesenpost:
„… mit großem Dank für deine bisherigen, sehr hilfreichen, menschlichen, gartengütigen Mails!
gartengütig
Was für ein tolles Wort. Es hat mich berührt, weil es so selbstverständlich und gleichzeitig ungewöhnlich war. Das nehme ich jetzt in meinen Wortschatz auf! Seitdem lässt es mich nicht mehr los.
Der Duden sagt zu gütig: „anderen mit Freundlichkeit und Nachsicht begegnend, ihnen wohlwollend zugetan oder diese Haltung erkennen lassend“
Und zu Garten: „begrenztes Stück Land [am, um ein Haus] zur Anpflanzung von Gemüse, Obst, Blumen o. Ä.“
Wenn ich beides zusammensetze, entsteht etwas, das ich nicht mehr vergessen kann: Ein Garten, der von und mit Güte lebt. Und einen Menschen, der sich erlaubt, mit sich selbst gütig zu sein. Tja, das ist ja mal eine tolle Kombination! Lass das mal wirken!
gartengütig statt perfekt: Warum wir anders gärtnern dürfen
Ich kenne ihn gut, meinen inneren Monk. Der, der mit den Augen rollt, wenn etwas nicht schnell genug geht oder ich noch andere Ideen habe, wenn die Liste immer noch lang ist und ich mir eigentlich nicht erlaube, eine Pause zu machen.
Der inner Monk, der unzufrieden wird, wenn der Garten – oder wie in meinem Fall – der Balkon, nicht tipptopp aussieht. Schließlich bin ich ja Gärtnerin und da sollte das ja gut aussehen. Ich kenne ihn. Er wohnt in mir. Und manchmal hat er wirklich gute Argumente. Aber er ist nicht gütig. Er ist gnadenlos.
Und dann kommt da ein Wort mit Garten und Güte um die Ecke. Was für tolle Leserinnen meiner Wald- und Wiesenpost habe ich bitte? Danke, für dieses Wortgeschenk!
Denn gütig sein bedeutet nicht, alles laufen zu lassen. Es bedeutet, einen freundlichen Blick zu üben. Für das, was lebt und wächst und ist – und zwar genau in meinem Umfeld und in mir.
Gartengütig zu sein bedeutet demnach auch: Nicht perfekt zu gärtnern. Das Wort lädt den Blick auf das Ganze ein, begleitet mit Respekt vor dem, was schon da ist und was entstehen kann.
Und genau deswegen gibt es meinen Jahreskreis im Garten. Für den inneren und den äußeren Garten. Das ist der Raum, in welchem wir gütig auf uns und unseren Garten schauen dürfen. Kommt Dir das Wort „Garten“ zu häufig vor? Mir dämmert es langsam: Der Garten ist in meinem Unternehmen das Werkzeug dafür um sein Leben zu entspannen und eine Rückverbindung zu sich selbst zu schaffen und aufrecht zu erhalten.
Gartengütig sein: 7 kleine Taten mit großer Wirkung
Eigenlicht passt Güte nicht in unsere Zeit – oder gerade doch? Die (Welt-) Politik wollen wir uns gar nicht anschauen. Wir kommen aus dem Kopfschütteln gar nicht raus. Aber für mich bedeutet Güte eher ein Nicken. Ein Anschauen, Sehen und Verstehen. Wenn ich dieses Kette in mir fühle, nicke ich. Dann kann Güte in mir wachsen. (Oha, und das ist. gar nicht leicht, denn die inneren Muster wollen meist etwas ganz anderes: Klarheit, Disziplin, Dirketheit…)
Also ist Güte nichts Großspuriges. Sie kommt leise daher und sie zeigt sich in den kleinen Entscheidungen: In der Art, wie Du Pflanzen betrachtest. Wie Du mit Lebewesen umgehst. Wie Du mit Dir selbst sprichst, wenn es nicht „läuft“.
Ich glaube: Wer sich erlaubt, gartengütig zu sein, verändert mehr als nur das eigene Beet. Wie gesagt, es geht auch um den inneren Garten.
Hier kommen kleine Beispiele, die ich mit Gartengüte verbind:
- gartengütig mit Pflanzen
- Eine vergessene Ringelblume darf weiterblühen
- Die wilde Möhre bleibt stehen, obwohl sie nicht geplant war
- Kein Perfektionsdrang im Beet – sondern Vertrauen ins Werden
- gartengütig mit Tieren
- die Schnecke wird nicht verflucht, sondern weggesetzt
- der Igel darf durch den Garten ziehen, weil der Zaun hoch genug ist
- Insekten dürfen wohnen – in Sand, Totholz oder alten Stängeln
- gartengütig mit dem Boden
- kein Abtragen, kein Zudecken mit Folie, kein Umgraben übers Knie gebrochen
- Kompost darf bleiben – auch wenn Du noch keinen Plan hast, wie Kompost eigentlich funktioniert
- Mulch als Schutz statt „Deko“
- gartengütig mit sich selbst
- nicht alles schaffen müssen
- mal gießen vergessen – und es trotzdem okay finden
- einen Stuhl ins Beet stellen statt eine weitere Aufgabe anzufangen
- gartengütig mit der Zeit
- der Garten darf auch mal ruhen, nicht alles muss immer sinnvoll und bedeutungsschwer bepflanzt sein
- nicht alles sofort machen wollen – vieles regelt sich mit der Jahreszeit von selbst
- Altes darf bleiben: statt Frühjahrsputz im März einfach erst einmal beobachten
- gartengütig mit Erwartungen
- Nicht jede Pflanze muss „funktionieren“ – manche kommen, andere gehen
- Pinterest ist kein Maßstab für Lebendigkeit – Wildwuchs ist kein Versagen
- Wenn etwas schiefgeht, ist es keine Schuldfrage – sondern ein Lernmoment
- gartengütig mit dem Zyklus des Lebens
- Vergänglichkeit zulassen – Verblühtes und Verwelktes darf bleiben und Grundlage für das Neue sein
- Samenstände sind nicht unordentlich, sondern voller Zukunft und ein Lebensraum
- Manchmal ist weniger Ernte mehr Ruhe – und das ist okay
Gartengütig – Gärtnern ohne Gartenwashing
Sehr gut beobachtet – das Wort „Haltung“ ist inzwischen fast schon leer gesprochen, besonders in Texten mit moralischem Anspruch. Es wirkt schnell abstrakt oder pathetisch, obwohl Du ja ganz konkret bist. Ich schlage Dir deshalb eine alternative Überschrift und dann den ganzen Abschnitt 4 direkt in Deinem Stil vor – charmant, klar, mit leiser Provokation
Wenn Gartengüte eines nicht braucht, dann ist es Etikettenschwindel beziehungsweise, sie setzt gerade so etwas ganz einfach außer Gefecht. Da kann das Martketing noch so toben.
Plötzlich ist alles „naturnah“, „insektenfreundlich“, „nachhaltig“. Auch wenn es im Prinzip einfach nur ums Verkaufen geht: Je mehr, desto besser.
- Da gibt es Blühmischungen, die kaum Nährwert für Insekten haben aber hübsch aussehen.
- Baumarkt-Insektenhotels mit Kiefernzapfen und Schmetterlingsschlitzen (selten so einen Blödsinn gesehen)
Ich nenne das: Gardenwashing. Lies gerne nach: Gartengestaltung ohne Gardenwashing
Es bedient ein gutes Gefühl – und vernebelt die echten Fragen:
- Was braucht mein Boden wirklich?
- Welche Tiere leben hier wirklich – und wann?
- Muss ich wirklich noch mehr kaufen, um einen „guten“ Garten zu haben?
Gartengütig zu sein heißt in erster Linie: Nicht alles glauben, was als grün etikettiert ist.. und mit Wohlwollen betrachten.
Das bedeutet auch:
- Fragen stellen, einfach, weil etwas interessant ist
- Nicht gleich alles mitmachen. Lieber zurück lehnen und anschauen
Ein Beispiel für diese Ideen gefällig? Ich habe meine roten Gardenwashinthemen ja schon angesprochen:
Insektenhotel:
Statt eines neuen Insektenhotels aus dem Gartencenter einfach mal die Halme stehen lassen. Die Natur ist da bestes Beispiel: Hier und im Boden brüten viele Wildbienen!
Blütenmischungen:
Wie wäre es, wenn Du „Unkraut“ mal blühen lässt? Ich rede nicht von invasivem Blödsinn, sondern tatsächlich von den Pflanzen, die mit Deinem Boden und Deinem Standort klar kommen und von alleine gekeimt sind! Wenn Du die dann alle kennst, kannst Du gezielt weitere Pflanzen dazu setzen. Aber lass die Natur doch erst einmal für Dich arbeiten – und entspann Dich. (Wir wünschen uns doch alle mehr Entspannung, oder nicht?)
Die Kunst des gartengütigen Lebens
Gartengütig zu leben ist keine neue Methode oder ein neuer Trend oder Selbstoptimierungs-Tool. Es ist eher wie ein langsames Umdenken, irgendwie ein Nachjustieren im Alltag.
Du fängst an, nicht mehr alles sofort weghaben zu wollen. Du wird geduldiger mit Dir selbst, wenn das Jahr anders läuft als geplant. Du kaufst weniger und beobachtet mehr.
Und irgendwann merkt Du: Der Garten wird leichter. Und das Leben irgendwie auch.
Gartengütig zu leben heißt auch, nicht jeden Moment zu verplanen sondern Dinge stehen und sich entwickeln zu lassen – auch wenn wir keinen Plan haben. (Haben uns die vergangenen Jahre nicht gezeigt, wie schnell sich Pläne ändern können?)
Wie reizvoll ist es, Prozesse nicht gleich zu bewerten und zu erkennen: Der Garten macht das meiste von selbst.
Du darfst ihn begleiten und Dich dabei gleich mit.
Vielleicht ist das am Ende die größte Wirkung von Gartengüte: Dass wir nicht nur den Garten anders sehen sondern auch uns und unsere Mitmenschen.
Ich merke: Dieses Wort verändert meinen Blick. Und vielleicht auch ein bisschen mein Leben. Und bei Dir?
Wenn Du tiefer eintauchen willst in ein Gartenjahr, das gütig und lebendig ist – schau gern mal in meinen Garten-Jahreskreis.
Vielleicht passt das zu Dir. Und vielleicht brauchst Du gerade gar nicht mehr, als ein bisschen mehr Güte. Für Deinen Garten und für Dich. Und die Gartenbriefe kommen auch. Es wird nur noch ein wenig dauern. Dafür kannst Du Dich hier unten gleich in die Wald- und Wiesenpost eintragen. Dann bekommst Du auch wöchentlich g