Der Garten meiner Großmutter

Wenn ich an meine eine Großmutter denke, dann sehe ich sie nicht gebückt im Beet oder mit einer Gießkanne in der Hand. Wir waren selten zusammen im Garten. Das lag daran, dass wir uns einfach nicht häufig gesehen haben. Ich sehe sie in der Küche kochen, den Tisch decken, einkaufen, im Haus, im Tun für andere. Sie hatte eine achtköpfige Familie zu versorgen -und darüber hinaus noch die Gäste, die in einem Pfarrhaus ganz selbstverständlich dazugehörten.
Und doch ist der Garten für mich unmittelbar mit ihr verbunden. Auch wenn ich sie dort nicht oft bewusst erlebt habe, war er doch überall gegenwärtig: Die Schmorgurken – aus dem Garten. Die Blumen und Blümchen, die im Haus verteilt waren – aus dem Garten, die Marmelade, die sie uns mitgab – aus dem Garten.

Als ich dann selber meinen ersten Garten hatte, gab sie mir Pflanzen mit. Das war meine Großmutti. Ich glaube, für sie war ein Garten sehr wichtig.


Drei Gärten – drei Lebensphasen

Es gab drei verschiedene Gärten im Leben, das ich mit meiner Großmutter verknüpfe.

Der erste Garten gehörte zum Gemeindeleben. Daran habe ich kaum eigene Erinnerungen, und doch weiß ich: er war Teil dieses ständigen Kreislaufs von Besuchern, Gesprächen, von Menschen, die kamen und gingen. Meine Großmutter war Pfarrfrau, und das hieß, immer präsent zu sein, immer offen, immer in Bewegung. Wahrscheinlich war der Garten eher weniger ein Rückzug, sondern eher eine Versorgungsfläche für die Gemeinschaft, in der sie lebte.

Später, an den zweiten Garten, habe ich mehr Erinnerung. Ihre Kinder waren alle ausgezogen. Das Haus war sehr groß, ein Onkel wohnte noch mit ihnen. Nebenan war gleich die Kirche. Einen Bach gab es auch in der Nähe, wo ich am liebsten noch mehr Staudämme gebaut hätte – aber das macht man nicht. Unsere Sommerferien waren oft versetzt (Berlin-Bayern eben), und deshalb habe ich die Höhepunkte der Ernte meistens verpasst, egal von was. Die Brombeeren, nach denen ich mich sehnte, waren noch nicht reif, und die Blaubeeren im Wald warteten erst, wenn ich schon wieder zur Schule musste. Dafür gingen wir hier in die Pilze. Das war ja eine Sache: Woher wusste sie immer, wo sich diese versteckte. Bei jedem Pilzgang denke ich an sie.

Der dritte Garten schließlich war der ihrer späteren Jahre. Am Anfang lebten sie dort noch gemeinsam, dann erblindete mein Großvater und Großmutti kümmerte sich. Gerne wären wir gemeinsam den Jakobsweg ein Stück weit gegangen aber das ging dann nicht mehr. Mit der Erblindung wurde der Alltag schwerer – auch die Gartenpflege. Zwar klagte sie immer wieder über die viele Arbeit aber ich glaube, sie hat es einfach vermisst.

der letzte Garten

Nun wird sie gepflegt, nachdem sie sich lange um andere gekümmert hat.


Die innere Einstellung und Wertschätzung

Worüber ich immer wieder nachdenke, ist ihr Umgang mit Lebensmitteln. Für sie war nichts einfach nur da. Alles hatte einen Wert. Reste waren keine Abfälle, sondern Grundlage für die nächste Mahlzeit. Obst wurde eingekocht, Gemüse eingelegt, Blumen geschnitten und verteilt. Ich glaube, man nennt das Wertschätzung. Sie hat nichts verschwendet. In einer Zeit, in der es ohnehin wenig Überfluss gab, war das vielleicht selbstverständlich – aber bei ihr hatte es auf der einen Seite etwas Liebevolles und auf der anderen Seite etwas sehr Pragmatisches. Es ging nicht nur um Funktionalität, sondern auch darum, Schönheit und Genuss ins Leben zu bringen.


Erste Garteneindrücke

Es gibt einzelne Situationen, die sich tief eingeprägt haben.

Schmetterlinge

Als Kind war ich fasziniert von den Schmetterlingen, die durch das Beet flatterten. Für mich waren sie pure Schönheit. Noch nie hatte ich es gesehen, dass sich zwei Falter in der Luft paarten und gemeinsam durch die Luft taumelten. Für meine Großmutter waren sie Kohlweißlinge – Schädlinge, die ihre Arbeit zunichtemachen konnten. Sie bat mich, sie zu verscheuchen, vielleicht sogar zu töten. Ich konnte das nicht. Aber dieser Moment hat mir gezeigt: Im Garten ist Schönheit nicht nur ästhetisch, sie ist immer auch praktisch. Und manchmal bedeutet Fürsorge für Pflanzen eben auch Abgrenzung.

Kompostsieb

Oder das Thema Kompost. Ich erinnere mich daran, wie ich ein Sieb unter einer Tanne oder so gefunden hatte. Dahinter war ein Haufen feiner Erde. Nachdem sie mir erklärt hatte, dass sie hier Kompost siebe und dass es doch eine eher langwierige und mühsame Arbeit sei, dachte ich mir: „Was für eine dumme Aufgabe.“ Jahre später, in meiner Ausbildung, habe ich verstanden, warum sie es so empfunden hat und warum ich es selbst heute nicht mehr so machen würde. Für mich ist Kompost heute ein Schatz und die groben Teile im Kompost gehören einfach dazu. Ich nenne diese Teile Langzeitdünger, denn sie zersetzen sich doch mit der Zeit. Natürlich nur, wenn es kein Plastik oder keine Steine sind.

So startest Du Deinen Kompost.

Feuermachen

Und dann das Feuermachen. Damals war es üblich, Schnittgut und Gartenreste zu verbrennen. Für mich als Kind war es aufregend: das Knistern, die Glut, der Geruch. Das habe ich als Stadtkind sehr geliebt! Ich will wohl meinen, für Großmutti war es Aufräumen. Die Asche ist dann auf den Kompost gekommen. Ich würde heute alles Schnittgut nicht verbrennen sondern als Mulch verwenden oder in den nächsten Kompost schichten. So geht dann nämlich Mulchen.

mit vollem Herzen geteilt

Der Garten als stille Versorgungsstelle

Wenn ich heute an ihre Gärten denke, dann denke ich an üppige Beete mit Phlox und anderen Blumen und an einen gedeckten Tisch. Ich denke an das, was sie aus ihnen gemacht hat: eine Versorgung fürs Leben, irgendwie, ein Lebensmittel. Der Garten war wichtig und selbstverständlich.

Vielleicht ist das, was mich bis heute so berührt: Dass der Garten Gemüse und Blumen hervorbrachte und damit eine Haltung zum Leben. Dankbarkeit. Genügsamkeit. Manchmal auch Ärger und Überforderung. Es gehört alles zusammen.


Rückblick

Und so ist der Garten meiner Großmutter für mich nicht in erster Linie ein Ort, in welchem wir viel Zeit miteinander verbracht hätten. Er hat mich geprägt, ohne dass ich das als Kind verstanden hätte. Und er wirkt bis heute nach – in meiner Arbeit, in meiner Art, Natur zu sehen, und in meinem Verständnis von Fülle.

Garten von Generation zu Generation

Im nächsten Artikel erzähle ich von meinem Großvater. Dort war der Garten ein ganz anderer – irgendwie anders und doch hat auch er meine Sicht auf das Gärtnern geprägt. Denn Gärten sind doch emotionaler als wir auf den ersten Blick wahrnehmen: Der emotionale Garten.

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