„Eine Bekannte von mir möchte ihren Garten etwas natürlicher und lebendiger gestalten. Gunhild, kannst Du da helfen?“
So fing die schöne Geschichte in Potsdam an.
In diesem Artikel siehst Du, wie sich ein verfilzter Rasengarten über ein Jahr hin in eine summende und brummende Wohlfühloase verwandelt mit Gemüse und Leseecke und Eidechsenhügel.
Ziele:
Viel mehr für Insekten, Eidechsen (gibt es schon in Nachbars Garten)
Gemüsebeet
Wintergarten
Die Natürlichkeit von hinter dem Zaun soll einen Platz im Garten haben.
Wir haben jetzt schon Februar 2023 und sind noch nicht fertig: Das Carport wurde verlängert… aber, lies einfach selber.
Beim Klicken auf die farbige Schrift kommst Du gleich zum angegebenen Absatz.
Das ist ein Grundstück in Potsdam, knapp 600 qm auf anlehmigem Sand, ca. 400 Quadratmeter fallen auf den Garten. Und so sieht es dort aus: Verfilzter Rasen, der feine Kräuter wie die Pimpinelle überwuchert und den vor einiger Zeit gepflanzten Heckensträuchern die Luft nimmt. Im Anschluss an den Garten nach hinten raus öffnet sich eine märkische, natürlich belassene Landschaft.
Kurz vor tot.
Wenn Gras nämlich so vor sich hin wachsen darf, kaum gemäht wird und sein Ding macht, sieht das irgendwann so aus: Junge Sträucher haben keine Luft zum Wachsen. Das Gras mit einem oberirdischem Filz und den dichten Wurzeln saugen alles an Feuchtigkeit und Nährstoffen auf, die zur Verfügung stehen. Da hilf auch eine Bewässerung nicht.
Der Plan ist etwas unkonventionell und ich bin dankbar für den Mut und das Vertrauen der lieben Besitzerin, die sich auf den Weg gemacht hat und ihren Garten umgekrempelt hat.
Im Februar/März wurde es noch mal kalt, dafür wurde im Hintergrund besprochen, geplant, verworfen, was das Zeug hielt.
11.5.2022 – erste Schritte
Nach Wochen der Planung, der Sondierung und der Pflanzenauswahl startet die Umsetzung: Der Kleinbagger rollt an. Die Fläche wurde zuvor in verschiedene Teile aufgesplittet und fest steht: Ein Teil bleibt grün als „Rasen“. Hier darf später dann mal ein Rasenmäher drüber fahren.
Gartenmaterial bleibt im Garten.
Jetzt wird erst einmal Raum für neue Pflanzen geschaffen: Die verfiltzte Grasnarbe wird vor der ersten natürlichen Grasaussaat abgeschoben, auf Wälle gelagert und die Wege werden frei definiert.
Ich vertrete die Meinung:
Kleine Kreisläufe sind im Garten nicht nur möglich sondern unumgänglich für einen klimagerechten Garten: Gartenmaterial bleibt im Garten!
Dieses Vorgehen spart Material, Entsorgungskosten und ermöglicht neue Strukturen. Man könnte meinen, die warme Maisonne trockne den Boden aus. Ein Regen ist nicht in Sicht. Tatsächlich wird diese Brache gegossen: Das Saatgut, welches noch im Boden steckt, wird in den nächsten Tagen beginnen zu keimen. Dann geht unser nächster Schritt weiter.
19.5.2022 – weiter geht die Vorbereitung
Oh, sieht das trocken aus! Ja, das stimmt. So ist das nun mal an so vielen Orten in Brandenburg, der „Preußischen Streusandbüchse“. Wir finden hier vor allem Sand, Sand, Sand. Und ja, er ist offen, es regnet kaum und das ist nicht schön. Doch hier soll das genau so sein:
Der Samen-Genpool der im Boden lagernden Grassamen darf keimen – dann erst kommen unsere Pflanzen: Standortangepasst, vielfältig und interessant für Insekten.
Das Überlaufbecken wird freigelegt.
Wenn schon mal ein kleiner Bagger da ist, dann kümmert er sich gleich um das Überlaufbecken. Dieses Überlaufbecken wurde freigeschachtet und wird eine neue Gestaltung bekommen. Nicht jetzt sofort. Dafür später. Dann darf dort in der Abendstimmung ein Gläschen Wein genossen werden, während die Libellen in den letzten Sonnenstrahlen tanzen.
Auch die Zaungestaltung zum Nachbarn wird überdacht. Auch nicht sofort. Wir werken uns mit System Schritt für Schritt durch den Plan.
24.5.2022 – Formen
In die Fläche wird kein Mutterboden eingearbeitet. Tatsächlich halte ich von der Erdverlagerung der obstersten Bodenschicht von einer Baustelle auf eine andere nicht so viel. Die sandige Fläche wird später mit Pflanzen bestückt, die mageren, trockenen Boden lieben. Daher brauchen wir hier keinen weiteren Nährstoffeintrag durch Komposterde oder Düngung.
Eidechsenhügel aus Findlingen
Nur auf ausgesuchten Flächen wird guter Kompost ausgebracht. Da der Garten noch nicht über die nötigen Mengen Kompost verfügt, wird eine Ladung dazu gekauft und verteilt. Die wichtigen Flächen sind:
das Gemüsebeet
die Hänge der Wälle für die Rosen
das Rosenbeet
Die Findlinge auf dem Erdwall sollen Eidechsen und weiteren Tieren als Lebensraum dienen. Vor dem inneren Auge sehe ich schon, wie sich später die Eidechsen in der Sonne aufwärmen.
Lesesteinhaufen in der Landschaft stehen übrigens häufig unter Naturschutz. Die Steine bleiben bitte dort liegen.
30. 6. 2022 – die Pflanzen kommen
Und dann kommen sie: Zwei Sprinter voller Stauden und Gräser. (Aus vielen verschiedenen Gründen sehe ich nämlich von einer Aussaat ab.) An der Zahl sind es ca. 1.800 Stück. Es ist Sommer. Es ist heiß. Es ist trocken. Es ist staubig.
Gestapelte Schätze.
An dieser Stelle sei betont:
Hochsommer ist absolut suboptimal zum Pflanzen in die Erde bringen!
Das wissen wir und daher geht es mit Hochdruck ans Pflanzen versorgen. Das bedeutet: Kisten erst einmal nach Lieferschein sortieren, danach Kisten neu packen und im Garten ausstellen: Es gibt verschiedene Zonen im Garten, die mit ausgesuchten Stauden- und Gräserkombinationen bestückt werden. Schließlich soll es später für Insekten vieler Art ein schöner Lebensraum werden. Da geht es dann nicht nur um Blütchen und hübsche, farbige Blumen. Gräser und strukturgebende Stauden werden häufig bei der Anlage übergangen, weil der Griff zur vielversprechenden Samenpackung so verlockend ist.
Staudenkisten ausstellen.
Der Boden wurde am frühen Morgen gesprengt, damit die Feuchtigkeit ein wenig in den Boden sickern kann. Und es staubt weniger.
Und ja, 1.800 Pflanzen sind eine Ansage, die wir nicht an einem Tag schaffen. Kaum stehen die ersten Kisten bereit, wird losgepflanzt. Schließlich müssen die Pflanzen in die Erde und das Sortieren und Ausstellen dauert seine Zeit. Am Abend läuft der Sprenger.
Die Gartenbänderschnecke ist auch schon da.
Die ersten Tiere haben wir auch schon dabei. Während die ein oder andere Schnecke in den Töpfen sitzt, haben wir nach kürzester Zeit schon ein Summen und Brummen um uns herum. Über den Gartenzaun werden wir gefragt, ob wir die Bienen mitgekauft hätten, so auffällig ist das Treiben, obwohl erst die kleinen Pflanzen im Garten stehen.
Merke: Insekten brauchen ein vielseitiges Angebot. Nur Nektar oder nur Brutraum nützt nicht.
Die Bienen haben die Blüten entdeckt! Die Schnecken sind mit den Töpfen mittransportiert worden; so funktioniert unbeabsichtigte Verbreitung von Arten durch den Menschen. Anyway: Das mit den Tieren startet prima!
5.7.2022 – Daumen drücken
Alle Pflanzen sind nun der Erde. Die ehemalige Bewässerung ist wieder verlegt. Nun wünschen wir uns sanften Landregen und drücken die Daumen, dass alle Pflanzen gut anwachsen.
Die umgedrehten Töpfe sind die Platzhalter für die Rosen, die im nächsten Jahr einziehen werden.
Am Gesmüsebeet sieht man den zeitlichen Vorsprung und die gute Nährstoffversorgung. Hier kann richtig geerntet werden!
6.10.2022 – das große Blühen kann beginnen
3,5 Monate ist es her, dass die Pflanze im Garten eingezogen sind. Was ist das für eine unglaubliche Pracht geworden! Das liegt an vielen Faktoren (Wobei unser Pflanzzeitpunkt ein Sternchen Abzug bringt):
sorgsam ausgesuchte Stauden und Gräser für diesen sandigen, sonnigen und windigen Garten
gut durchgewachsene Pflanzen in top Qualität
zügiges Pflanzen nach der Lieferung
gute Wasserversorgung in den anschließenden Wochen
Abdeckung der nackten Erde mit Mulch als Schutz vor Verdunstung und gegen auflaufende Beikräuter
Als Fazit können wir festhalten: Nur 5 der 1.800 Pflanzen sind nicht angewachsen. Das ist sehr gut. Wir wissen auch, wieso sie es nicht geschafft haben: Am Abend schnell zur Seite geräumt, nicht gegossen, vergessen – und mit Trockenschaden wesentlich später in die Erde gebracht.
Dabei geht meine große Hochachtung an die liebe Landherrin: Sie hat all die Pflanzen in Eigenregie gepflanzt nachdem ich sie ausgestellt habe. Ja, das hat etwas gedauert. Doch ich habe selten so ein stolzes, zufriedenes Gesicht gesehen, wenn jemand den Blick durch seinen Garten schweifen lässt. Sie kennt nun ihre Pflanzen! Hut ab!
Ein Carport voller Mulch.
Wobei das Thema Mulchen in einem naturnahen Garten wirklich nicht unterschätzt werden darf. Auf einer Wiese oder im Wald kratzt auch niemand die Pflanzenreste weg um es dort „schön ordentlich“ zu haben.
Zum Mulchen habe ich hier und hier schon einiges zusammengetragen. Was, wieso, wie… Lies Dich gerne durch und arbeite Deinem Garten etwas zu. So habt ihr beide etwas davon.
Die Verteilung des Mulches wurde hier übrigens nach der Pflanzung vorgenommen. Das ist eine zeitintensive Geschichte. Manche Gärtner verteilen die Mulchschicht auch davor. Beides ist mühsam, vor allem auf so einer Fläche, und doch sooo wichtig.
Bei offenem Boden werden mir mittlerweile die Hände trocken.
21.11.2022 – erster Schnee
Mit dem ersten Schnee zieht Ruhe in den Garten ein.
Der Klatschmohn, der sich selber ausgesät hatte, strahlt noch mit seiner weißen Haube. Sonst ist Ruhe.
Die Erweiterung des Carports wurde begonnen.
Die Stauden bleiben stehen und werden nicht zurückgeschnitten. Schließlich überwintern genau hier viele Kleinstlebewesen, die ebenfalls Vielfalt in den Garten bringen. Sei es als Nahrung für andere Tiere oder als Gegenspieler gegen Schädlinge. Hier stören wir in den nächsten Monaten nicht. Gerade noch so vor dem ersten Schnee konnte die Erweiterung des Carports begonnen werden. So wird ästhetisch ansprechender Stauraum geschaffen für Gartenmöbel, Fahrräder und was sonst noch so anfällt.
Wir haben so viel geschafft und eine gute Grundlage für ein neues Garten-Natur-Jahr geschaffen.
Ansonsten ist nun erst einmal Ruhe.
Wir sehen uns im neuen Jahr.
5.12.2022 – Frost
Die eisige Ernte vom Rosenkohl steht noch. Dafür scheint die Sonne und die Erweiterung des Carports ist auch vorangegangen. Nun werden die Räder aus der Garage bald einen passenden Platz haben.
Sonst schläft der Garten und ist auch jetzt nicht mehr vergleichbar mit dem Garten im Februar 2022.
Der Garten schläft unter dem Winterhimmel.
Wir warten mal noch ein bisschen mit den nächsten Einsätzen.
22.2.2023 – das neue Jahr
Kleiner Rundgang durch den Garten im neuen Jahr. Der restliche Mulch ist ausgebracht worden. Die Lücken für Rosen und Heckensträucher sind noch frei.
Kinderhaus hinter dem Zaun.
Auch müssen die Pflanzen am hinteren Zaun noch einmal in die Hand genommen werden. Sie sitzen zu nah an der Grundstücksgrenze – und sie sollen sich später ja kräftig ihrer Wuchsform entsprechend entwickeln. (Und gibt es für solche Grenzbepflanzung Vorschriften…)
Außerdem ist über den Winter hinter dem Zaun ein Spielplatz gewachsen. Das Spielhaus läd herrlich ein, von der Ferne den Garten zu inspizieren. Das dürfen die sommergrünen Büsche und Sträucher bald eindämmen. Mal sehen, ob in diese Ecke noch eine Eberesche oder eine Felsenbirne einziehen wird. Diese Bäume stehen in enger Wahl, denn die Birken, die dem Garten nach hinten raus so einen schönen Rahmen geben, werden auf kurz oder lang weichen müssen: Die Birken haben mit dem Klimawandelschwer zu kämpfen (Birkensterben).
Danke, dass Du die Entwicklung dieses Gartens verfolgst. Wie gefällt er Dir bisher? Was sind Deine Eindrücke oder hast Du Fragen?
Kein Garten ist perfekt, daher freue ich mich über Austausch. Schreibe mir gerne einen Kommentar dazu.