Es ist kaum zu glauben, dass der Igel (Erinaceus europaeus), im vergangenen Jahr noch von der Deutschen Wildtierstiftung als “Tier des Jahres 2024” gefeiert, nun in vielen Regionen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Doch was ist geschehen, dass sich der Status dieses sympathischen Stacheltiers so dramatisch verändert hat? In diesem Artikel schauen wir uns ein bisschen die Zahlen und die Ursachen für den Rückgang an und wie wir alle dazu beitragen können, dem Igel zu helfen.
Die Rote Liste
Der Igel ist in Deutschland auf der sogenannten Vorwarnliste der Roten Liste der Säugetiere geführt. Diese Liste, herausgegeben von der International Union for Conservation of Nature (IUCN), bewertet den Bedrohungsstatus von Tierarten weltweit. Sie dient als Empfehlung und wissenschaftliche Grundlage für Naturschutzmaßnahmen, hat jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit. Mehr dazu kannst du auf der Webseite der IUCN nachlesen.
Ich fühle mich diesem Thema besonders verbunden, da ich vor zwei Jahren die Ehre hatte, gemeinsam mit einem Förster fünf kleine Igel über den Winter zu pflegen. Sie waren im Herbst zu schwach, um allein zu überleben. Zu sehen, wie sie langsam stärker wurden, war eine tief berührende Erfahrung. Es macht die heutige Lage umso trauriger und dringlicher, sich für den Schutz dieser wunderbaren Tiere einzusetzen.
Aktueller Status des Igels
Der Europäische Igel ist für viele von uns ein vertrauter Anblick in Gärten und Parks. Zumindest für uns Erwachsene. Zumindest in Erinnerung. Wieviele Kinder kennst Du, die schon mal einen Igel in echt gesehen und nicht nur aus buntem Kartonpapier für die Herbstdeko ausgeschnitten oder in Kinderbüchern als niedliche Zeichnung gesehen haben? Wenn die Anwort ist: „Igel kenne ich, habe aber noch keinen gesehen.“, lässt sich das mit seiner rapid schrumpfenden Population erklären.
Dramatischer Rückgang
Seit den 1950er Jahren ist die Igelpopulation in Deutschland und anderen Teilen Europas um schätzungsweise 75% zurückgegangen.
Gefährdeter Status in Deutschland
In verschiedenen Bundesländern steht der Igel bereits auf der Roten Liste gefährdeter Arten:
- Baden-Württemberg: Vorwarnliste
- Bayern: Gefährdet (Kategorie 3)
- Berlin: Gefährdet
- Brandenburg: Vorwarnliste
- Hessen: Gefährdet
- Niedersachsen: Gefährdet
- Nordrhein-Westfalen: Vorwarnliste
- Sachsen-Anhalt: Gefährdet
- Schleswig-Holstein: Gefährdet
Diese Einstufungen basieren auf den Roten Listen der jeweiligen Bundesländer auf der Grundlage der Roten Liste für Deutschland.
Situation in Deutschland
In der Schweiz ist der Igel ebenfalls bedroht und wird zunehmend in die Kategorie der gefährdeten Arten eingestuft. Eine umfassende Gebietsübersicht über den Verbreitungsraum des Igels kannst Du auf der Karte der Info Fauna – Schweizerische Koordinationsstelle für die Fauna zu finden. Für den Erhalt des Igels in der Schweiz setzt sich der Verein Pro Igel ein.
Situation in der Schweiz
Auch in Österreich steht der Igel unter Druck. Das Umweltbundesamt Österreich verzeichnet einen Rückgang der Populationen, besonders in dicht besiedelten Gebieten und intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen.
Sterberate im Verkehr
Jährlich werden in Deutschland laut der Deutschen Wildtier Stiftung bis zu 500.000 Igel im Straßenverkehr getötet. Ein Hoch auf den weiteren Straßenausbau… *ironieoff*
Ursachen des Rückgangs des Igels
Der Rückgang der Igelpopulation ist das Ergebnis eines Zusammenspiels aus verschiedenen Faktoren. Neben den offensichtlichen Gründen gibt es auch subtilere Ursachen, die dazu beitragen, dass der Igel zunehmend verschwindet.
Verlust von Lebensräumen
Die fortschreitende Urbanisierung und der Ausbau von landwirtschaftlichen Flächen führen zu einem massiven Verlust der natürlichen Lebensräume. Für alle Wildtiere. Wo früher Wiesen, Hecken und Wälder waren, sind heute Wohnsiedlungen, Straßen und Monokulturen. Das hat dramatische Auswirkungen auf Tiere wie den Igel, die Unterschlupf und Jagdreviere benötigen.
Zerschnittene Landschaften
Ein bedeutender Faktor für den Rückgang ist die Zerschneidung von Landschaften durch Straßen und Siedlungen. Und zwar aller Wildtiere, die gerne wandern! Ein Igel benötigt ein Revier von 10 bis 20 Hektar, um ausreichend Nahrung und einen Partner zu finden. Straßen und andere Barrieren führen nicht nur zu isolierten Populationen, sondern erhöhen auch die Gefahr, dass Igel im Straßenverkehr verunglücken und damit verschwinden.
Einsatz von Pestiziden und Insektiziden
Es trifft uns immer wieder: Der weit verbreitete Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft und in privaten Gärten reduziert die Nahrungsgrundlage des Igels. Laut der Krefelder Studie ist die Biomasse der Insekten in Deutschland um über 75% gesunken. Igel, die auf ein reichhaltiges Insektenangebot angewiesen sind, finden dadurch immer weniger Nahrung. Zudem kann der Verzehr von vergifteten Insekten den Igel direkt schädigen. Mittlerweile gibt es weitere Ansätze, die das Insektensterben erklären:
Klimawandel und Umweltfaktoren
Der Klimawandel wirkt sich auf die natürlichen Lebenszyklen von Wildtieren aus. Einmal gibt es Hinweise, dass die Klimaereignisse die Entwicklung vieler Insekten stark beeinträchtigen und damit die Nahrungsgrundlage von Igeln.
Zudem werden milder werdende dazu Winter führen, dass Igel früher aus dem Winterschlaf erwachen und nicht genug Nahrung finden. Ungewöhnlich kalte Frühlingsperioden oder extreme Wetterereignisse erschweren es den Jungtieren, die ersten Lebensmonate zu überstehen.
Ordnungsliebeund moderne Gartentrends:
Ich sage nur „Laubpuster„. Der Trend zu ordentlichen, minimalistischen Gärten mit Schotterflächen und exotischen Pflanzen führt zu einer weiteren Verarmung des Lebensraums. Es soll ein Garten ohne Laubhaufen, Hecken oder Viehzeugs sein. Möglichst keine Gedanken machen. Das bedeutet im Endeffekt: Steril wie in einem schön abgestaubten Einrichtungshaus (Dazu möchte ich hier sagen: Einrichtungshäuser haben definitiv ihre Berechtigung. Nur kann ein Garten nicht wie ein Einrichtungsgegenstand behandelt werden. Das funktioniert nicht.) Solche Gärten sind maximal unattraktiv für Igel und Vögel. Da helfen auch eigens gekaufte Häuschen und Futtermischungen nichts!
Ein Garten muss nicht perfekt sein, um schön zu sein. Vielmehr liegt die Schönheit im Zusammenspiel von Natur und Kultur. Igel lieben Unordnung – und Dein Garten profitiert davon.
Lichtverschmutzung
Nachtaktive Tiere wie der Igel leiden unter der zunehmenden Lichtverschmutzung. Künstliches Licht stört das natürliche Verhalten und kann dazu führen, dass Igel in der Dämmerung oder bei Dunkelheit weniger aktiv sind, was ihre Futtersuche und die Partnersuche beeinträchtigt. Die Karte von light pollution zeigt, wie hell es nachts immer noch ist.
Unter anderem deswegen halte ich nichts von den überall angebotenen Solarlämpchen für den Garten. Lass es nachts doch einfach dunkel werden! Es ist Nacht.
Der Rückgang der Igelpopulation zeigt, dass viele der Probleme, die der Natur zu schaffen machen, menschengemacht sind. Es braucht ein Umdenken, um Lebensräume zu schaffen und zu erhalten, die Tieren wie dem Igel ein Überleben sichern. Ein naturfreundlicher Garten kann dabei ein wertvoller erster Schritt sein. Deswegen bin ich da.
Was braucht der Igel zum Überleben?
Igel haben spezifische Bedürfnisse, um gesund zu bleiben und sich erfolgreich fortzupflanzen. Hier sind die wichtigsten Punkte, die Du beachten solltest. Im Grunde ist es ganz einfach:
Unterschlupfmöglichkeiten
Igel benötigen geschützte Verstecke, um tagsüber zu ruhen und sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Laub- und Reisighaufen, wilde Hecken und dichte Büsche bieten ideale Rückzugsmöglichkeiten. Das bedeutet Ruhe.
Ratten sind winteraktiv und können Igel in der Winterruhe empfindlich stören. Durch ihr Geräume werden die Igel immer wieder geweckt, das kostet Energiereserven und schwächt die Igel.
Tipp: Vermeide es, im Herbst alle Blätter zu entfernen – sie sind ein natürlicher Schutz für Igel und andere Tiere. Und denke an eine wilde Igel-Ecke im Garten.
Natürliche Nahrungsquellen
Ein vielfältiges Insektenangebot ist lebenswichtig für Igel. Pflanze heimische Sträucher und Blumen, um Insekten anzulocken. Igel sind Jäger und ernähren sich von anderen Tieren! Verzichte auf Chemikalien wie Pestizide und Insektizide, die die Nahrungsgrundlage verringern und Igel direkt schädigen können. Das Igelzentrum hat alles wunderbar zusammengefasst!
Bedenke bei einer möglichen Fütterung, ob Du mit der Menge auch die Nachbarskatze, Füchse oder Ratten anziehen könntest.
Tipp: Kein Katzenfutter, keine Milch, Nüsschen & Co.!
Offene Wege und Durchgänge
Igel sind aktive Wanderer in der Dämmerung und in der Nacht. Sie benötigen Zugang zu mehreren Gärten, um ihr Jagdrevier zu erweitern.
Sorge dafür, dass es Durchgänge in Zäunen gibt, die mindestens 13 cm x 13 cm groß sind. Diese „Igelautobahnen“ ermöglichen es ihnen, von einem Garten zum nächsten zu gelangen.
Tipp: Öffne Deinen Garten! Oder lass am besten einfach unter dem Zaun einen Schlitz frei.
Wasserstellen
Flache Wasserschalen helfen nicht nur Vögeln, sondern auch Igeln, sich zu erfrischen. Stelle sicher, dass die Wasserstellen nicht zu tief sind, damit kleinere Tiere nicht ertrinken. Lege für Insekten und kleine Tiere auch einen Stock ins Wasser. So können die Tiere wieder aus dem Wasser krabbeln.
Tipp: Wasser ist für alle Tiere wichtig!
Pro Igel beschreibt sehr toll, wie ein igelfreundlicher Garten gestaltet werden kann. Ein Hoch auf die Grundlagen der naturgemäßen Gartengestaltung!
Der Schutz des Igels beginnt in Deinem eigenen Garten. Mit einfachen Maßnahmen, wie dem Schaffen von Unterschlupfmöglichkeiten, dem Verzicht auf Chemikalien und dem Öffnen von Zäunen, kannst Du einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung dieser liebenswerten Tiere leisten. Ein igelfreundlicher Garten bedeutet nicht nur Hilfe für den Igel, sondern bereichert auch Dein Leben durch die Freude an einem vielfältigen, lebendigen Stück Natur.
Möchtest Du Deinen Garten in ein grün.wild.wunderbares Paradies verwandeln und aktiv zum Schutz des Igels beitragen? Kontaktiere mich hier für eine exklusive Beratung und Begleitung auf Deinem Weg zum naturgemäßen Garten.
2 Antworten
Danke für den Beitrag.
Wir wissen alle, dass Katzenfutter oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ich möchte trotzdem anmerken, dass immer mehr die Zufütterung von Igeln empfohlen l, gerade im Herbst, da sonst die Jungigel keine Chance haben über den Winterschlaf zu kommen.
Der Prozess zum Naturgarten bzw bis große Population entstehen, dauert ja auch leider immer etwas. Gerade wenn wir uns die langen Zyklen von Käfern anschauen.
Super Kommentar. Tatsächlich gehe ich lieber den anderen Weg und möchte den Igeln ein Buffet anbieten, sodass die Igel selbstständig jagen können. Das Igelzentrum, dessen Arbeit ich schätze, bestätigt die negativen Folgen vom Füttern.
Igel bitte nicht füttern
Es ist wie immer: Ein zweischneidiges Schwert.
Auf jeden Fall brauchen wir wieder mehr Insekten – auch für andere Tiere und Pflanzen